„Wir sollten hochkarätige Non-Profit-Journale und Preprint-Server unterstützen, um Open Access zu fördern. Es geht auch ohne hohe Publikationsgebühren!“

Und weiter geht es mit unserer Interviewreihe zur internationalen Open Access Week 2024. Heute berichtet uns Prof. Dr. André Eckardt (Fakultät II) aus seinem Publikationsalltag und über seine Erfahrungen mit dem Open-Access-Publikationsportal SciPost.

UB TU Berlin | Foto und Satz: Benjamin Mossop | Alle Rechte vorbehalten

UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?

AE: In meinem Feld, der Physik, nimmt die Zahl an Open-Access-Journalen seit Jahren zu. Eine der ersten Physik-Fachzeitschriften dieser Art ist das nur online erscheinende New Journal of Physics der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und des britischen Institute of Physics. Spätere Beispiele sind Physical Review X und Physical Review Research der American Physical Society sowie von der Community getragenen Journale, wie SciPost Physics oder Quantum. Darüber hinaus bieten viele traditionelle Journale mittlerweile die Möglichkeit, Artikel gegen eine Gebühr frei zugänglich zu machen.

Für unsere tägliche Arbeit und in Diskussionen unter Kollegen spielt die Frage, ob ein Artikel in einem Open-Access-Journal erscheint oder nicht, jedoch keine sehr wichtige Rolle. Der Grund hierfür liegt darin, dass es üblich ist, Manuskripte vor ihrer Veröffentlichung durch ein Journal auf dem Preprint-Server arXiv öffentlich zugänglich zu machen. Auf diese Weise sind nahezu alle seit etwa dem Jahr 2000 erschienen Arbeiten ohnehin frei zugänglich. Ich denke, die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen würden mir daher zustimmen, dass arXiv für unsere Arbeit wichtiger ist als Open-Access-Publikationen in Journalen. ArXiv ersetzt hierbei jedoch nicht die Publikation in Fachzeitschriften. Das Erscheinen einer Arbeit in einem renommierten Journal gilt weiterhin als Qualitätssiegel, da es das erfolgreiche Durchlaufen eines Auswahlprozesses durch Lektorat und Begutachtung (peer review) voraussetzt.

Ich sehe den Trend hin zu Open-Access-Journalen mit gemischten Gefühlen. Denn neben dem Vorteil der Zugänglichkeit durch die Öffentlichkeit, welche weitgehend bereits durch Preprint-Server sichergestellt ist, entstehen hierdurch auch hohe zusätzliche Kosten. In der Regel liegen die Gebühren für Open-Access-Publikationen bei mehreren Tausend Euro pro Artikel. Da ich gleichzeitig davon ausgehe, dass wir auch weiterhin nicht auf das Abonnement von Fachzeitschriften verzichten können, besteht hier die Gefahr, dass wir am Ende doppelt zahlen. Eine Ausnahme sind spendenfinanzierte und von der Wissenschaftscommunity getragene Journale wie SciPost, die keine Publikationsgebühren verlangen. 

UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie haben wiederholt Artikel in SciPost Physics veröffentlicht, einer Open-Access-Zeitschrift der gemeinnützigen Stiftung SciPost, welche die TU auch finanziell unterstützt. Können Sie uns über Ihre Erfahrungen mit dieser Zeitschrift berichten?

AE: Es gibt verschiedene Gründe, warum ich regelmäßig Fachartikel in SciPost Physics publiziere. Zum einen schätze ich die Idee eines aus der Wissenschaftscommunity getragenen Journals mit freiem Zugang und ohne hohe Publikationskosten. Bei den traditionellen Verlagen stellt sich manchmal die Frage, ob die hohen Publikations- und/oder Abonnements-Kosten gerechtfertigt sind, da ein großer Teil des „Produktes“ dem Journal quasi umsonst von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt wird, nämlich nicht nur die Forschungsergebnisse und das Manuskript, sondern auch ein Großteil des Schriftsatzes (unter Verwendung der Software LaTeX) und die Begutachtungsarbeit im Peer-Review-Verfahren. Eine Voraussetzung für meine Entscheidung, regelmäßig in SciPost Physics zu publizieren, ist aber auch die hohe Qualität der dort erscheinenden Arbeiten. Diese wird durch ein exzellentes Editorial Board und hohen Standards beim Peer-Review-Verfahren sichergestellt. Schließlich ist die Idee, auch die Gutachten selbst öffentlich zu machen, interessant, da es die Gutachterinnen und Gutachter dazu diszipliniert, sorgfältig zu argumentieren.

UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?

AE: Open Access in Form der Vorveröffentlichung von Artikeln auf dem Preprint-Server ArXiv ist für meine Arbeit äußerst wichtig, sowohl in meiner Rolle als Autor als auch in der des Lesers. Damit wird der Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen gewährleistet, bevor diese den oft langwierigen Begutachtungsprozess für die Publikation in einem Journal durchlaufen haben (der für die Qualitätssicherung ebenfalls seine Berechtigung hat). Auch die Verfügbarkeit von Artikeln, für die wir kein Abonnement haben oder auf Reisen ohne das Herstellen einer VPN-Verbindung, nutze ich immer wieder gern.

UB: Bis 2025 sollen laut der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent aller neu erscheinenden wissenschaftlichen Publikationen in Deutschland ausschließlich oder zusätzlich Open Access veröffentlicht werden. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?

AE: Ich verstehe und unterstütze das Anliegen, öffentlich geförderte Forschung auch öffentlich zugänglich zu machen. Ich sehe dieses Ziel aber auch kritisch, da ich nicht davon ausgehe, dass wir gleichzeitig auf Abonnements von Journalen verzichten können. Hier besteht die Gefahr, dass wir am Ende doppelt zahlen. Wir sollten daher überlegen in welcher Form wir die Umsetzung von Open Access fördern und verstärkt Non-profit-Strukturen unterstützen und ausbauen.

UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?

AE: Die Idee, mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung öffentlich zugänglich zu machen, ist richtig und wir sollten sie fördern, indem wir hochkarätige Non-Profit-Journale und Preprint-Server wie ArXiv unterstützen.

UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?

AE: Als Theoretische Physiker beschäftigen wir uns mit der Entwicklung neuer Konzepte für die Kontrolle von Quantensystemen. Wie arbeiten dabei eng mit Kollegen aus der Experimentalphysik zusammen.

Zur Person:

Nach Studium und Promotion in Darmstadt, Salamanca und Oldenburg und einer Zeit als Postdoc am Institute for Photonic Sciences (ICFO) bei Barcelona, leitete Herr Eckardt von 2011–2020 ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme. Seit 2020 ist er der Leiter des Fachgebiets Nichtgleichgewichtsdynamik korrelierter Quantenmaterie am Institut für Theoretische Physik der TU Berlin und seit diesem Jahr auch Sprecher des DFG-Verbundes FOR 5688 „Driven-dissipative many-body systems of ultracold atoms“.

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