Es hat sich etwas geändert im Umgang mit dem Thema Open Access. Gewiss ist das Thema nicht neu. Im Gegenteil, seit vielen Jahren ist es präsent auf bibliothekarischen Fachveranstaltungen; die Vorreiter und Fürsprecher in der Szene sind bekannt und geschätzt. Zugleich galt aber auch: Über Open Access wurden zwar intensive Debatten geführt, in den bibliothekarischen Alltag einer durchschnittlichen Universitätsbibliothek haben diese aber kaum Eingang gefunden. Es gab eine seltsame Diskrepanz zwischen den teils stark akademisch geprägten, teils mit Robin-Hood-Attitüde geführten Diskussionen der ExpertInnen und dem bibliothekarischen Betrieb vor Ort. Welche unmittelbare Bedeutung hatte Open Access für den Diplombibliothekar im Geschäftsgang, für die Auskunftsbibliothekarin am Info-Tresen, für die Fachreferentin im Kontakt mit ihrer wissenschaftlichen Zielgruppe? De facto führte das Thema im Bibliotheksalltag ein Nischendasein, nur wenige Personen der Belegschaft befassten sich intensiver damit.
Open Access durchdringt schrittweise alle Bereiche der Bibliothek. Das Konzept ist strategischer Motor vieler Aktivitäten.
In den letzten Jahren lässt sich hier eine grundlegende Veränderung beobachten. Open Access erreicht Schritt für Schritt alle Bereiche der Bibliothek, wird strategische Grundlage für wichtige Entscheidungen, wird institutionelle Verpflichtung und identitätsstiftende Selbstvergewisserung. Mittlerweile sind vielerorts die Bibliotheken zum Motor der Open-Access- Aktivitäten in der Hochschule geworden. Open Access ist kein Thema mehr für ein Projekt oder eine Sonderabteilung, sondern zieht sich wie ein roter Faden handlungsleitend durch alle Geschäftsgänge und Dienstleistungen. Bibliotheken und Bibliotheksverbünde durchlaufen einen Transformationsprozess: Alle Dienste von der Erwerbung, der Katalogisierung, dem Nachweis über die Aus- und Fernleihe bis zu den publikationsnahen Services werden dabei aus der Perspektive Open Access betrachtet.
Wie kam es zu dieser Veränderung? Eine einfache Antwort fällt schwer, handelt es sich doch um ein Zusammenwirken unterschiedlicher paralleler Entwicklungen. Zwei Punkte lassen sich ausmachen, weitere sicherlich benennen:
(1) Universitätsbibliotheken und ihre Verbünde verstehen sich immer stärker als Infrastrukturdienstleister für die Wissenschaft. Sie weiten ihr Geschäftsfeld aus auf Bereiche wie Forschungsdatenmanagement, Publikationsdienstleistungen, Digitalisierungsgeschäftsgänge, Langzeitarchivierung, Hostingangebote und den Betrieb von Forschungsinformationssystemen. In all diesen Themenfeldern spielt Open Access explizit oder implizit eine wichtige, zuweilen die zentrale Rolle. So führt Engagement zwangsläufig zur vertieften Befassung und zum Knowhow-Aufbau im Bereich Open Access. Die Bibliothek muss eine Haltung zu Open Access entwickeln und nach innen und außen konsistent vertreten, dies wirkt auf Dauer identitätsbildend.
(2) Die Zeitschriftenkrise und damit die Krise der Erwerbungsbudgets werden immer offensichtlicher. Letztlich wurde deshalb auf Initiative der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen das Projekt „DEAL – bundesweite Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage“ auf den Weg gebracht. Hier werden unter Leitung der Hochschulrektorenkonferenz Verhandlungen geführt, um mit großen Wissenschaftsverlagen Konsortialverträge über den Zugang zu wissenschaftlichen Zeitschriften abzuschließen. Die Implementierung einer Open-Access-Komponente ist dabei strategisch entscheidend, sie soll für Preistransparenz sorgen. Open Access soll sich schließlich zu einem zentralen wirtschaftlichen Standbein der etablierten Verlage entwickeln.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Open Access im Bibliotheksalltag angekommen ist. BibliothekarInnen müssen daher Open-Access-ExpertInnen werden. Es wird unser Schaden nicht sein.
Jürgen Christof ist Direktor der Universitätsbibliothek an der Technischen Universität Berlin. Der Artikel geht auf folgende Erstveröffentlichung zurück: Christof, Jürgen (2017): Von Robin Hood zum Mainstream. Open Access als Haltung erreicht die Mitte der Bibliothek. – In: Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Jahresbericht 2015-2016. – Berlin: KOBV.
Open Access ist ein wichtiger nicht mehr rückgängig zu machender Fortschrittsprozess. Das sage ich als Kenner des Verlagswesen
Gruß aus der nordischen Robben Hood