So startete die Podiumsdiskussion „Ein Blick zurück und zwei nach vorn. Die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens“, die anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Universitätsverlages der TU Berlin und der Open Access Week stattfand. Wir danken dem Podcast Open Science Radio, in dem die Veranstaltung als Episode 176 nachzuhören ist. Die Moderatorin Dr. Christina Riesenweber (FU Berlin) navigierte charmant durch ein Potpourri herausfordernder Fragen wie: Sollten wissenschaftliche Publikationen in der Hand von kommerziellen Verlagen liegen? Wird Wissen auch in Zukunft in Formaten wie Büchern und Zeitschriften transportiert? Ist eine Bibliothek ohne Bücher Utopie oder Dystopie?
Diese und viele andere Themen diskutierten die PodiumsteilnehmerInnen:
Prof. Sabine Hark (TU Berlin, Gender Open, Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung)
Dr. Ulrich Herb (SULB Saarbrücken)
Prof. Johanna Hoerning (TU Berlin, Institut für Soziologie)
Dr. Cori Mackrodt (Springer-Verlag)
Prof. Konrad Förstner (ZB MED Köln, Open Science Radio)
Die verschiedenen Positionen der DiskutantInnen verband zum einen die Erkenntnis, dass es einen Wandel beim wissenschaftlichen Publizieren braucht, und zum anderen, dass dies vor allem ein kultureller Wandel ist und nicht nur ein technischer. Insbesondere Konrad Förstner betonte dies, als er seine Vision eines Wissenssilos beschrieb und sich dabei einer Star-Trek-Analogie bediente. Das Format wissenschaftlicher Zeitschriften ist in dieser Zukunftsversion überholt, die technische Infrastruktur dafür wäre allerdings schon heute vorhanden. Das Beispiel zeigt, wie schnell innovative Ideen, die aus technischer Sicht gut umsetzbar wären, an kulturellen Konzepten scheitern, wie der Erlangung von Reputation durch die Publikation in einer bestimmten Zeitschrift oder an (urheber-)rechtlichen Regelungen.
Auch Ulrich Herb könnte sich mit dieser Vision anfreunden, sieht faktisch die Zukunft aber in einer düstereren Sci-Fi-Variante, bei der das Datensilo in den Händen von Verlagen bzw. Großkonzernen liegt.
Johanna Hoerning und Sabine Hark von der TU Berlin beschrieben auch ihre Zukunftsvisionen des wissenschaftlichen Publizierens, sprachen dabei aber noch stärker ganz aktuelle Herausforderungen an, die ihnen täglich begegnen. Beide Wissenschaftlerinnen engagieren sich in ihren Fachgebieten für Open Access und Diversität beim Publizieren, Frau Hoerning als Herausgeberin einer Open-Access-Zeitschrift und Frau Hark als Initiatorin der Plattform Gender Open.
Cori Mackrodt vom Springer-Verlag kommuniziert als Lektorin sehr viel mit WissenschaftlerInnen. Sie sieht wenig Veränderung in ihrem Berufsfeld und rechnet in ihrem Verlag mit mehr Selbstreflexion und Zeit für grundsätzliche Fragen wie: Was sind Kerndienstleistungen, welche Services werden Autorinnen und Autoren neben IT-Dienstleistungen angeboten?
Quasi unvermeidbar sind aktuell die DEAL-Verträge, also die ersten Transformationsverträge mit wissenschaftlichen Großverlagen, die den Zugang zum Verlagsportfolio mit dem Open-Access-Publizieren verbinden sollen – auch sie wurden zum Ende der Diskussion thematisiert. Ulrich Herb äußerte sich kritisch zu den laufenden Verhandlungen und befürchtet steigende Kosten pro Artikel, da Verlage keinen Druck mehr haben, gute Preismodelle zu entwickeln („DEAL ist Staatskapitalismus!“). Johanna Hoerning sieht insbesondere kleinere und mittelständische Verlage bedroht, die in ihrem Fachgebiet eine große Rolle spielen. Konrad Förstner sieht die DEAL-Verhandlungen als ersten Schritt zu mehr Open Access. Um die Entwicklung in eine positive Richtung zu steuern, sollten die wissenschaftlichen Einrichtungen allerdings eine öffentliche Infrastruktur aufbauen und insgesamt weniger an die Verlage bezahlen. Cori Mackrodts Vorschlag, zu DEAL müsste man eine eigene Veranstaltung machen, fasste die Komplexität gut zusammen und das Open-Access-Team der TU freut sich auf weitere spannende Diskussionsrunden zu diesen Themen.
Insbesondere der Input von Sabine Hark und Johanna Hoerning hat gezeigt, dass es die Forschenden selbst sind, die sich damit auseinandersetzen müssen, wie und wo sie publizieren wollen. Tradierte Publikationserwartungen müssen für die Karriere nicht immer blind erfüllt werden. Die Wissenschaffenden formen mit ihren Publikationsentscheidungen das Publikationssystem. In diesem Sinne: Be the change you want to see!