„Ohne Open Access ist der Forschungsalltag nicht mehr denkbar.“

Für unsere Interviewreihe zur Open Access Week 2023 sind wir heute im Gespräch mit Robert Mies. Openness ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Forschungsarbeit im Fachgebiet Qualitätswissenschaft am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der Fakultät V. Seiner Ansicht nach sichert Open Access die dauerhafte Verfügbarkeit von Forschungsdaten für die Gesellschaft und er fordert Open Access als Standard bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel.

UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?

RM: Im Zuge der Forschung meiner Fachgruppe müssen wir Open Access im Blick halten, zumal es in unserem Forschungsschwerpunkt liegt, Offenheit für Hardware zu fördern. In unserer Forschung beschäftigen wir uns mit der Frage, wie sich der Gedanke von Open Source aus der Software auf Hardware übertragen lässt. Da ist es natürlich klar, dass wir im Rahmen unserer Arbeit immer auch Open Access berücksichtigen. Denn wir kommen viel mit Themen der Offenheit und freier Verbreitung in Berührung.

Foto von Dipl.-Ing Robert Mies (Fachgebiet Qualitätswissenschaft) und sein Zitat "Ohne Open Access ist der Forschungsalltag nicht mehr denkbar."
Foto: Jana Schildhauer/ Satz: Benjamin Mossop / Alle Rechte vorbehalten

UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie haben das Repositorium der TU Berlin, DepositOnce, bereits mehrfach zur Zweitveröffentlichung Ihrer Verlagspublikationen genutzt und dort auch fünf Reports des Projekts Open_Next veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

RM: Im Zuge des EU-geförderten Projekts Open_Next haben wir erlangte Erkenntnisse natürlich in Form von peer-reviewten Forschungsartikeln veröffentlicht. Das Konsortium bestand aus 19 Partner*innen in sieben Ländern und einige Veröffentlichungen konnten auch wir von der TU Berlin als koordinierende Institution beisteuern. Zumeist waren Veröffentlichungen von vornherein Open Access. Teilweise war dies aber noch nicht der Fall. Spätestens ab diesem Moment haben wir DepositOnce für Zweitveröffentlichungen genutzt, wie es ja auch vom Fördermittelgeber vorgeschrieben ist. Außerdem haben wir in Open_Next technische Berichte zur Dokumentation der Projektergebnisse erstellt, welche sich unter anderem an Praktiker*innen und Netzwerkpartner*innen richteten. DepositOnce hat uns hier geholfen, die Berichte zeitnah, zitierfähig und langfristig bereitzustellen und auf diese zu verweisen. Ansonsten wären die Berichte erst viel später vom Fördermittelgeber öffentlich gemacht worden. Das heißt, wir haben DepositOnce für die Verbreitung unserer Forschungsergebnisse gebraucht.

UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?

RM: Open Access ist grundsätzlich immer hilfreich. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Es ist heutzutage einfach erforderlich, dass Forschungsarbeit geteilt wird. Im Gegenteil nehme ich eher wahr, dass es hinderlich sein kann, wenn Forschungsergebnisse nicht Open Access sind: Dann können andere diese nicht finden und das ärgert mich auch schonmal. Insofern versuche ich selbst, das von Grund auf zu vermeiden und würde vielmehr sagen, dass der Forschungsalltag ohne Open Access gar nicht mehr denkbar wäre.

UB: Bis 2025 sollen laut der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent aller neu erscheinenden wissenschaftlichen Publikationen in Deutschland ausschließlich oder zusätzlich Open Access veröffentlicht werden. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?

RM: Das ist auf jeden Fall sinnvoll, obwohl ich das konkrete Ziel nicht vollständig beurteilen kann. Der Trend muss mittelfristig natürlich sein, dass Open Access komplett bei der Vergabe von öffentlichen Geldern immer der Standard ist. Ansonsten muss das entsprechend begründet werden. Eine Rechtfertigung sehe ich nicht, warum es in Forschungsprojekten vielfach noch nicht der Fall ist. Wenn man eng mit der Privatwirtschaft zusammenarbeitet, kann es in Einzelfällen nachvollziehbare Gründe geben. Aber sowie es öffentliche Institutionen betrifft, sehe ich es schon heute als absolut notwendig an und das setzt sich in der Wissenschaft auch durch. Hier sind aus meiner Sicht vor allem die Fördermittelgeber gefragt, klare Rahmenbedingungen zu schaffen.

UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?

RM: Ich finde an Open Access gut, dass es eine Teilhabe für alle ermöglicht und damit Forschungsergebnisse dauerhaft für die Gesellschaft verfügbar bleiben.

UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?

RM: Unser Forschungsfeld ist offenes Design und offene Hardwareentwicklung und das bearbeiten wir aus ingenieurswissenschaftlicher Sicht. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie in der Industrie und in der Wissenschaft offene Hardware genutzt werden kann zum Teilen und gemeinschaftlichen Entwickeln von physischen Produkten und Artefakten im Internet. Dabei entstehen neue innovative Lösungen von Geschäftsmodellen über Software-Tools bis hin zu verteilten, lokalen Formen der Zusammenarbeit und Wertschöpfung. Das erforschen wir zum einen aus der Perspektive, wie Unternehmen davon profitieren können. Zum anderen haben wir in den vergangenen Jahren auch daran geforscht, wie offene Hardware in der Forschung Einhalt gebieten kann, sodass künftig auch an der Universität offene Hardware Standard wird und sich effektiver verwerten und verbreiten lässt.

UB: Herzlichen Dank für das Interview!

Zur Person:

Robert Mies ist gelernter Wirtschaftsingenieur mit der Fachrichtung Maschinenbau an der TU Berlin. Seit April 2016 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Fachgebiet Qualitätswissenschaft am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb. Er forscht an der Schnittstelle von Wirtschaftsingenieurwesen, Produktentstehung und offene Hardwareentwicklung. Das EU-geförderte Projekt OPENNEXT – transforming collaborative product creation wurde im November 2022 abgeschlossen. Seine aktuellen Projekte sind: Open.Make – implementing FAIR and open hardware (BUA/BMBF Kennziffern 312_Open.Make & 301_Open.Make_II) und LAUDS Factories (anstehend) – New European Bauhaus Approach to Open and Decentralised Urban Manufacturing (Horizon Kennziffer 101135986). In seiner Freizeit engagiert er sich als stellvertretender Vorsitzender im gemeinnützigen Open Hardware Observatory e. V. (OHO) in Berlin, das die Veröffentlichung von Hardware für internationale Kooperationen fördert.

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