Bericht vom 1. Berliner Rundgespräch Open-Access-Bücher

Das 1. Berliner Rundgespräch Open-Access-Bücher fand am 10. September 2018 an der UB der TU Berlin statt. Eingeladen waren fünf Verlage, die bereits aktiv im Feld Open-Access-Bücher sind: Barbara Budrich, De Gruyter, Peter Lang, Transcript und WBV Media. Für die Universitätsbibliotheken waren jeweils zwei Gäste aus HU, FU und TU eingeladen. Das inhaltliche Konzept und die Moderation übernahm das Open-Access-Büro Berlin.

Bericht von Christina Riesenweber (FU Berlin), unter Mitarbeit von Andreas Hübner (Open-Access-Büro Berlin), Dagmar Schobert (TU Berlin) und Elena Di Rosa (TU Berlin).

Die Open-Access-Transformation ist in vollem Gange und verändert die Aufgabenfelder vieler Akteure in der Wissenschaft und den sie umgebenden Dienstleistungsfeldern. Besonders prominent ist im Moment die Transformation subskriptionsbasierter Zeitschriften zu Gold-Open-Access-Zeitschriften mit Artikelgebühren, wie sie auch im Zentrum des Projekts DEAL steht, wo mit den drei größten Wissenschaftsverlagen der Welt um bezahlbare Optionen zur Publikation von Zeitschriftenartikeln gerungen wird. Open Access ist aber auch in anderen Kontexten auf dem Vormarsch, denn die Nachfrage nach Open-Access-Büchern steigt. Obwohl Open-Access-Strategien wie die des BMBF und die Berlins die Steigerung des freien Zugangs zu Monografien und Sammelwerken nicht hoch priorisieren, stellen sich Forschungseinrichtungen und Verlage auf erhöhten Bedarf ein und bieten entsprechende Services an. In Berlin sind an den Universitätsbibliotheken von TU, FU und HU Förderungsmaßnahmen für Open-Access-Bücher gestartet, weitere sind in Planung. Genau wie bei Zeitschriften auch, beschränkt sich das Verlagsspektrum für Open-Access-Bücher keineswegs auf drei bis fünf große Player. Gerade in den Sozial- und Geisteswissenschaften sind kleine und mittlere Verlage wichtige Partner der Wissenschaft, um Monografien und Sammelwerke zu publizieren. Aus diesem Grund hat das Open-Access-Büro Berlin zusammen mit Dagmar Schobert vom Open-Access-Team der TU eine Veranstaltung konzipiert und durchgeführt, bei der kleine und mittlere Verlage zusammen mit Vertreter*innen der drei Berliner Universitätsbibliotheken offen über die Herausforderungen, Möglichkeiten und Ziele einer Open-Access-Transformation für Bücher sprechen können.

Geschäftsmodelle

Im Zentrum des Gesprächs um die Finanzierung von OA-Büchern stand der Umgang mit „Book Processing Charges“ (BPCs), die analog zu den „Article Processing Charges“ im Zeitschriftenfeld Open Access ermöglichen. Eine zentrale Forderung der Bibliotheken ist hier eine transparente Rechnung, die deutlich macht, für welche Dienstleistungen welche Kosten anfallen, und wo sich allgemeine Publikationsgebühren von Open-Access-Gebühren abgrenzen. Es wurde deutlich, dass es hier mehrere Hürden gibt: In den meisten Verlagen werden Bücher durch Mischkalkulationen finanziert, d.h. einige Bücher haben höhere Gewinnmargen, mit denen weniger starke Publikationen ausgeglichen werden können. So ergibt sich auch die Möglichkeit eines inhaltlich ausgewählten Programms, das sich nicht auf Ebene des Einzeltitels durch die voraussichtliche Profitabilität eines Buches einschränken muss. Diese Art der Mischkalkulation auch mit Open-Access-Büchern zu ermöglichen, ist eine der Herausforderungen für die Verlage. Eine komplette Transparenz der betriebswirtschaftlichen Kalkulationen von Verlagen wurde als nicht machbar eingestuft. Dennoch ist auf Seite der Bibliotheken eine größtmögliche Transparenz zentrales Kriterium. Ein wichtiges Element zur Durchschaubarkeit von Verlagspreisen, so wurde auch von Verlagsseite betont, ist eine Transparenz in den Dienstleistungen, die hinter den Book Processing Charges stecken: Nur wenn deutlich ist, welche Art von Satzdienstleistungen, Lektorat, Indexierung, Distribution der Metadaten und Schaffung internationaler Sichtbarkeit etc. mit einer pauschalen BPC eingekauft werden, ist eine Vergleichbarkeit der Dienstleistungen zwischen den Verlagen gegeben.

In der Transformation zu Open Access entstehen bei allen Akteuren auch neue Arten von Kosten. Insbesondere für die kleineren Verlage entsteht hier ein zusätzlicher Druck, z. B. in Form von Investitionen in Software oder aktiver Teilnahme an zusätzlichen Gremien und in neuen Communities. Gerade wenn es darum geht, Standards für Open-Access-Bücher zu formulieren, sollte im Sinne einer wünschenswerten Vielfalt in der Verlagslandschaft berücksichtigt werden, zu welchen Veränderungen diese Verlagshäuser in realistischen Zeitfenstern überhaupt in der Lage sind, bevor sie durch strenge Richtlinien aus der Konkurrenz genommen werden. Gerade die Diversität der im Moment entstehenden Richtlinien und Policies macht es den Verlagen schwer, adäquate Dienstleistungen zu entwickeln. Eine Standardisierung zwischen Forschungseinrichtungen oder Bundesländern würde hier Abhilfe schaffen.

Deutlich wurde auch: Die im Zuge der Kritik an den großen oft zitierten Gewinnmargen von über 35 % haben mit der Realität der kleinen und mittleren Verlage nichts zu tun. Hier bewegt man sich eher im einstelligen Prozentbereich.

Qualitätsstandards

Anforderungen an die Qualitätsstandards von Open-Access-Büchern wurden auf zwei Ebenen formuliert: Auf technischer und auf inhaltlicher Seite.

Für die inhaltliche Qualitätssicherung unterscheiden sich die Standards für Open-Access-Bücher nicht von ihren zum Verkauf publizierten Gegenübern. Allerdings macht sich als problematisch bemerkbar, dass im Zuge der Open-Access-Transformation Anforderungen an die Verlage gestellt werden, die mit der verlegerischen Realität nichts zu tun haben. Standardisierte Verfahren zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung zum Beispiel lassen sich nicht ohne weiteres von einer Disziplin auf die nächste übertragen. Einen Standard wie Double Blind Peer Review für wissenschaftliche Monographien zu fordern, ist aus Sicht der Verlage nicht umsetzbar und nicht unbedingt sinnvoll. Auch der Umfang von Lektoratsaufgaben im Sinne von Proof Reading und Copy Editing ist von Fach zu Fach und mitunter von Buch zu Buch sehr unterschiedlich, eine Standardisierung für Open Access würde erhebliche Probleme bereiten bzw. hohe Kosten verursachen. Wünschenswert sind hier an den Bedürfnissen und Usancen der wissenschaftlichen Fachdisziplinen orientierte Standards.

Für die technische Seite der Qualitätsstandards wurde rasch deutlich, dass Bibliotheken und Verlage hier ähnliche Interessen haben – auch wenn diese von den Wissenschaftler*innen in der Regel nicht wahrgenommen werden. Langzeitverfügbarkeit und -archivierung sind ein wichtiger Aspekt der technischen Qualitätssicherung, ebenso wie entsprechende Medienformate und Persistent Identifier. Schnell wurde deutlich, dass in diesem Kontext auch Themen aus dem Forschungsdatenmanagement berührt werden, etwa bei der Diskussion, ob Abbildungen und Tabellen eigene Persistent Identifier erhalten. Aus Bibliothekssicht ist außerdem eine Verfügbarkeit der Metadaten mit einer möglichst offenen Lizenz, idealerweise CC0, wünschenswert.

Ein weiterer Punkt bei der technischen Qualität von Open-Access-Büchern ist die Verfügbarkeit von Nutzungszahlen. Nur anhand verlässlicher Nutzungsstatistiken können Bibliotheken ihre Förderungsentscheidungen überprüfen. Aber auch für Verlage ist die nachweisbare Sichtbarkeit ihrer Publikationen ein maßgeblicher Richtwert, um ihre eigene Relevanz zu dokumentieren und kommunizieren. Im Widerspruch zum Nutzen verlässlicher Nutzungszahlen steht allerdings das – höher priorisierte – Anliegen, eine möglichst freie Lizenz wie CC-BY zu verwenden. Diese ermöglicht aber natürlich die Zugänglichmachung des Dokuments an verschiedenen Orten und somit keine verlässlichen Nutzungsstatistiken.

Einig war sich die Runde in Bezug auf Qualitätsstandards vor allem in einem Punkt: Da es eine Vielzahl an Faktoren für die Qualität eines Open-Access-Buches gibt, ist die Vergleichbarkeit von Open-Access-Gebühren pauschal nicht gegeben. Hier gilt es immer genau hinzuschauen, welche Leistungen vom Verlag, von den Autor*innen oder von den Bibliotheken erbracht werden müssen, um bei Angeboten nicht nur Preise, sondern auch die dahinterliegenden Leistungen vergleichen zu können.

Veränderte Beziehungen

Im Licht von Open Access hat sich die Zusammenarbeit von Verlagen, Wissenschaftler*innen und Bibliotheken verändert. Die Bibliotheken treten nun zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich bereits vor der Veröffentlichung, mit den Wissenschaftler*innen in Kontakt und beraten zunehmend auch bei der Wahl des Publikationsortes. In einigen Bibliotheken entsteht durch die derzeitige Lage eine größere Einflussmöglichkeit auf den Markt, ihre Position erscheint eher gestärkt. Außerdem sehen sich Bibliothekar*innen jetzt in neuen Beratungssituationen, zum Beispiel zu Creative-Commons-Lizenzen. Insbesondere bei rechtlichen Themen werden aber rasch Kompetenzgrenzen gezogen. Auch wurde betont, dass Bibliotheken sich gegenüber den wissenschaftlichen Inhalten nach wie vor neutral verhalten und hier keine Auswahlfunktion übernehmen werden.

Für die Verlage ist vor allem die veränderte Situation zwischen Klein- und Großverlagen ein Thema. Angesichts nationaler Verhandlungskonsortien wie DEAL, die sich nur auf die größten Verlage konzentrieren, sehen sich kleinere und mittlere Verlage in Gefahr.  Außerdem sehen die Verlage eine Verschiebung in ihrer primären Zielgruppe: Nicht nur die Autor*innen selbst, sondern auch deren Bibliotheken und Fördereinrichtungen müssen nun über die Verlagsarbeit informiert und davon überzeugt werden.

Für die nähere Zukunft war am Ende des Gesprächs deutlich, dass vor allem eine Fortsetzung des Gesprächs und der Ausbau eines besseren gegenseitigen Verständnisses wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich Open-Access-Monographien sein werden. Vertrauen und Transparenz wurden als maßgebliche Faktoren genannt und der Wunsch geäußert, diese Zusammenarbeit auch auf großen Tagungen, wie beim Bibliothekartag oder den Open-Access-Tagen, fortzuführen und sichtbar zu machen.

Übersicht Teilnehmer*innen 1. Berliner Rundgespräch Open-Access-Bücher
  • Barbara Budrich: Verlag Barbara Budrich, Geschäftsführung
  • Elena Di Rosa: Technische Universität Berlin, Open-Access-Team
  • Stefanie Hanneken: transcript, Leitung Vertrieb Digital
  • Joachim Höper: wbv media, Geschäftsleitung wbv Publikation
  • Andreas Hübner: Open-Access-Büro Berlin
  • Anne Kempen: Peter Lang, Business Development Manager
  • Christina Lembrecht: De Gruyter, Acquisitions Editor
  • Ida-Maria Mäder: Humboldt-Universität zu Berlin, UB, Erwerbungsleitung
  • Christina Riesenweber: Open-Access-Büro Berlin
  • Birgit Schlegel: Freie Universität Berlin, UB, Leitung Hochschulschriften & Dokumentenserver
  • Dagmar Schobert: Technische Universität Berlin, Abteilungsleitung Universitätsverlag, Hochschulschriften, Open Access
  • Agnieszka Wenninger: Freie Universität Berlin, UB/CeDiS, Referentin für Open-Access
  • Christian Winterhalter: Humboldt-Universität zu Berlin, UB, Abteilungsleiter Zweigbibliotheken, Innovationsmanagement und Controlling

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