Vanessa Bach, Doktorandin am Fachgebiet Sustainable Engineering der Fakultät III, reflektiert im Gespräch über Open Access insbesondere die Herausforderung der Qualitätssicherung von Open-Access-Journalen. Weiter geht’s mit unserer Interviewreihe zur Open Access Week 2017.
UB TU Berlin / D. Grahl, F. Zillmer / CC BY 4.0
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
VB: Am Fachgebiet veröffentlichen wir unsere Forschung sowohl in Open-Access-Journalen als auch in solchen, bei denen der Zugriff beschränkt ist. Viele Journale bieten mittlerweile ja an, die Veröffentlichung gegen einen Aufpreis als Open-Access-Version zur Verfügung zu stellen. Diese Option haben wir bisher wegen des doppelten Bezahlens (Abonnement durch die Bibliothek und Publikationsgebühren für uns Autor/innen) eher nicht genutzt. Die Mehrzahl unserer Veröffentlichungen werden entsprechend nicht Open Access veröffentlicht. Dies liegt u. a. daran, dass es in unserem Bereich bisher wenige OA-Journale gibt, die eine ausreichende Qualität haben. Unserem Lehrstuhl ist es wichtig, in verschiedenen Journalen zu veröffentlichen, um unsere Arbeit in unterschiedlichen Bereichen bekannt zu machen. Die Möglichkeit von Zweitveröffentlichungen haben wir aus Zeitgründen bisher nur selten genutzt. Hier könnten wir uns aber durchaus vorstellen, dies mit Unterstützung der Universitätsbibliothek mittelfristig anzugehen und die bisherigen Publikationen des Fachgebiets mittels „self-archiving“ Open Access zu stellen.
Meiner Meinung nach ist gerade die Qualität die größte Herausforderung existierender OA-Journale. Vielfach ist die Qualität der veröffentlichten Artikel im Vergleich zu Nicht-OA-Journalen deutlich geringer. Das hat mehrere Gründe. Einer ist mit Sicherheit die fehlende Zeit, die den Gutachtern eingestanden wird. Normalerweise hat man als Gutachter in jeder Runde 4-6 Wochen Zeit, ein Review anzufertigen. Bei OA-Journals sind das oft nur 1-2 Wochen, nach der ersten Bearbeitung durch die Autor/innen teilweise nur noch drei Tage. Das ist viel zu wenig, um einen Artikel von 30-40 Seiten gründlich zu lesen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Hat ein Artikel von Anfang an eine sehr gute Qualität, ist diese kurze Zeitspanne berechtigt – das ist aber die Ausnahme. Der Vorteil von OA-Veröffentlichungen liegt aber natürlich auf der Hand: Ich finde es richtig und wichtig, dass Wissenschaft und Gesellschaft freien Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen erhalten. Ganz besonders, wenn diese aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Gemeinsam mit Co-Autor/innen publizierten Sie kürzlich in einem OA-Journal. Wie kam es zur Auswahl des Journals?
VB: Das Journal „Sustainability“ von MDPI ist in unserem Forschungsbereich bereits seit einigen Jahren etabliert und kann einen angemessenen Impact Factor aufweisen. Am Fachgebiet nutzen wir die dort publizierten Artikel auch als Grundlage für unsere Forschung. Zudem haben bereits anerkannte Kollegen meiner Disziplin in diesem Journal veröffentlicht.
UB: Gab es bisher konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
VB: Als Mitarbeiterin der TU habe ich verschiedene Möglichkeiten an Veröffentlichungen zu kommen, die ich brauche: Der Zugang zu vielen Journals ist für TU-Angehörige frei, über die UB können Veröffentlichungen online bestellt werden etc. Würde es diese Optionen nicht geben, wäre ich tatsächlich mehr auf OA-Publikationen angewiesen. Ein Vorteil eigener OA-Veröffentlichungen ist natürlich, dass Projektpartner und Interessierte uneingeschränkten Zugang haben, ohne dass sie uns als Autoren kontaktieren müssen. Auch die Verwendung in der eigenen Dissertation ist wesentlich einfacher.
UB: Bis 2020 sollen laut Open-Access-Strategie des Landes Berlin mindestens 60 Prozent der Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften frei zugänglich sein. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
VB: Prinzipiell finde ich das Ziel, mehr in OA-Journalen zu veröffentlichen, gut. 60 % erscheint mir allerdings sehr hoch, vor allem da dies in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden soll. Die größte Hürde sehe ich bei der Qualität der Veröffentlichungen. Meiner Meinung nach besteht keinerlei Mehrwert in der Veröffentlichung von Artikeln niedriger Qualität, nur damit sie OA sind. Hier sehe ich bei der Strategie die größte Gefahr: Es könnte wichtiger sein, die 60 %-Quote zu erfüllen, als auf die Qualität der Veröffentlichungen Wert zu legen. Solche Veränderungen brauchen Zeit und sollten sorgsam konzipiert und durchdacht werden. Maßnahmen an verschiedenen Stellen sind wichtig für die Erreichung des Ziels. Daher kann ich die relativ neu ins Leben gerufene Möglichkeit der Übernahme von Publikationskosten durch die TU nur unterstützen, sofern die Qualitätssicherung gewährleistet wird. Dies ermöglicht es allen TU-Angehörigen in OA-Journalen zu veröffentlichen. Über das Repositorium DepositOnce der TU Berlin lassen sich zudem Forschungsdaten und Publikationen rechtssicher (zweit-)veröffentlichen. Infrastrukturen wie diese finde ich sehr hilfreich, sie unterstützen das 60 %-Ziel auf sinnvolle Weise.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde? Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
VB: Wir erforschen am Fachgebiet Sustainable Engineering zur Realisierung des Leitbildes der Nachhaltigkeit. Dabei widmen wir uns Fragen, wie sich Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit speziell für Produkte und Prozesse messen lässt. Die Entwicklung und Anwendung von Methoden mit Systemperspektive auf Technik und Umwelt steht hier im Vordergrund. Meine Arbeit fokussiert die Bewertung von abiotischen und biotischen Ressourcen im Kontext der Nachhaltigkeit. Ich identifiziere relevante Aspekte, die mit der Nutzung von Ressourcen über den gesamten Lebensweg von Produkten auftreten. Dazu gehören Umweltauswirkungen, Verfügbarkeitsaspekte, aber auch Einschränkungen in der Verfügbarkeit durch politische Aspekte und Marktstrukturen sowie soziale Auswirkungen.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Vanessa Bach hat im Jahr 2012 ihr Studium an der Technischen Universität Berlin erfolgreich abgeschlossen und arbeitet seitdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Sustainable Engineering. Zu ihren Tätigkeitsfeldern gehört die Bearbeitung von Ökobilanzen und Erstellung von Water Footprint Studien für verschiedene Industrieunternehmen sowie die Entwicklung einer integrierten Methode zur Messung von Ressourceneffizienz. Sie war zudem an der kontinuierlichen Analyse und Begleitung des EU Product Environmental Footprint (PEF) beteiligt. Sie schließt in Kürze ihre Promotion ab, die den Schwerpunkt „Bewertung von abiotischen und biotischen Rohstoffe im Kontext der Nachhaltigkeit“ hat.
Zu den weiteren Teilen der Interviewreihe:
Thorsten Burandt & Konstantin Löffler: „Der offene Wissensaustausch macht Open Access so spannend.“
Prof. Marga Lensen: „Open Access steigert die Sichtbarkeit der Publikationen meines Fachgebiets deutlich.“
Prof. Robert Liebich: „Nicht-kommerzieller Open Access ist alternativlos und wird die Zukunft sein.“
Prof. Nina Langen: „Die Einengung auf den Impact Factor als Bewertungssystem der Wissenschaft sollte überdacht werden.“
Maik Pflugradt: „Open Access ermöglicht, dass meine wissenschaftlichen Ergebnisse weltweit frei zugänglich sind.„