Dr. Lena Scholz ist Mitarbeiterin am Fachgebiet Numerische Mathematik an der Fakultät II. Sie hat ihre Berichte zum EU-geförderten Projekt „Reduced Order Modelling, Simulation and Optimization of Coupled Systems“ (ROMSOC) auf DepositOnce Open Access veröffentlicht. Wir haben sie gefragt, wie es zu dieser Entscheidung kam und welchen Stellenwert Open Access für ihr akademisches Schaffen hat.
UB TU Berlin / Foto: Doreen Grahl, Grafik: Felix Funke / Alle Rechte vorbehalten
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
AW: Open Access ist ein zentrales Thema meines Arbeitsalltages. Zu meinen Aufgaben gehört die Koordination und das Management eines von der Europäischen Union geförderten Verbundprojektes. Hier ist Open Access ein zentrales Thema, sei es bei der Erstellung von Datenmanagementplänen, bei der Auswahl eines geeigneten Repositoriums zur Ablage von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Forschungsdaten oder der öffentlichen Verbreitung von Forschungsergebnissen. Auch bei der Veröffentlichung meiner eigenen Forschungsarbeiten achte ich auf Open Access.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie haben Ihre Berichte zum Projekt „Reduced Order Modelling, Simulation and Optimization of Coupled systems“ (ROMSOC) auf DepositOnce Open Access veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
AW: Ausschlaggebend war hier eine verpflichtende Vorgabe der Europäischen Kommission: Alle Projekte, die aus dem Förderprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union finanziert werden, müssen sicherstellen, dass die von ihnen veröffentlichten wissenschaftlichen Publikationen kostenlos und öffentlich zugänglich sind. Dazu gehört auch, dass eine elektronische Kopie jeder veröffentlichten Publikation in einem Repositorium für wissenschaftliche Forschungsdaten und Publikationen hinterlegt wird, zusammen mit allen erforderlichen Daten, die für die Validierung der veröffentlichten Resultate benötigt werden, sowie offener Zugriff auf die bibliografischen Metadaten. Hintergrund ist hier das Ziel der Europäischen Union, eine möglichst umfassende und nachhaltige Verbreitung und Nutzung von Forschungsergebnissen sicherzustellen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, sowie ein verbesserter Zugang der Öffentlichkeit zu wissenschaftlichen Informationen.
Die sorgfältige Verwaltung von Forschungsdaten ist ein wesentlicher Bestandteil von guter wissenschaftlicher Praxis und beginnt mit einer angemessenen Planung zu einem FAIRen Datenmanagement: Das heißt, Forschungsdaten sollen auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sein (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable).
UB: Gab es bisher konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
AW: Open Access ist häufig der Schlüssel für effizientes wissenschaftliches Arbeiten. Nichts ist meines Erachtens hemmender für einen schnellen Fortschritt in der eigenen Forschung, als wenn man Publikationen anderer Forscher*innen hinterherjagen muss oder durch fehlenden Zugang zu relevanten Forschungsresultaten zeitaufwändig versucht, Forschungsergebnisse zu reproduzieren. Durch das Aufbauen der eigenen Arbeit auf vorhandene wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Daten kann eine höhere Qualität der eigenen Forschungsergebnisse erzielt werden und mehr Effizienz in der Forschung durch die Vermeidung von Doppelarbeit erreicht werden.
UB: Bis 2020 sollen laut Open-Access-Strategie des Landes Berlin mindestens 60 Prozent der Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften frei zugänglich sein. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
AW: Dieses Ziel erscheint mir auf jeden Fall sinnvoll und auf lange Sicht sollte das Ziel sein, alle wissenschaftlichen Resultate frei zugänglich zu machen.
Es muss eine klare und einfache Regelung zur Übernahme von Kosten bei der Veröffentlichung in Open-Access-Zeitschriften geben, und diese Regelung muss den Wissenschaftler*innen klar kommuniziert werden, da anfallende Kosten ansonsten Autoren daran hindern können, in Open-Access-Zeitschriften zu veröffentlichen.
UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?
AW: Open Access ist der Schlüssel für schnellen Fortschritt und mehr Innovation durch schnellen und transparenten Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Ideen und Erkenntnissen.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
AW: Mein Forschungsfeld befasst sich mit der Modellierung, Simulation und Optimierung dynamischer Prozesse und virtueller Produkte und die Anwendung dieser Techniken in verschiedenen industriellen Schlüsseltechnologien. Die mathematische Darstellung realer physikalischer Produkte und Prozesse ist hierbei die Grundlage für die Entwicklung von zuverlässigen und genauen Simulations- und Optimierungsmethoden. Dazu gehört außerdem die Entwicklung effizienter numerischer Methoden und Rechenwerkzeuge zur Berechnung genauer approximierter Lösungen von realen Szenarien, die bei industriellen Problemen in der Praxis Anwendung finden können.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Dr. Lena Scholz hat an der TU Berlin Technomathematik studiert. Seit 2005 ist sie im Fachgebiet Numerische Mathematik an der TU Berlin tätig und hat dort auch 2008 promoviert. Ihre Forschungsinteressen sind differentiell-algebraische Gleichungen (DAEs), differentiell-algebraische Systeme höherer Ordnung, geschaltete differentiell-algebraische Systeme und die Strukturerhaltung für DAEs. Sie war zudem in den Projektteams des ERC-Projektes „Modeling, Simulation and Control of Multi-Physics Systems“ und des DFG-Forschungsprojektes „Automatische Modellierung und Simulation von technischen Systemen mit Unsicherheit“ (AMSUN) tätig. Seit 2017 koordiniert sie als Projektmanagerin das MSCA-ITN Projekt „Reduced Order Modelling, Simulation and Optimization of Coupled Systems“ (ROMSOC).
Zu den weiteren Teilen der Interviewreihe:
Prof. Valentin Popov (FG Systemdynamik und Reibungsphysik): „Ich betrachte Open Access als natürliche und selbstverständliche Form des wissenschaftlichen Austauschs.“
Dr. Johanna Hoerning (FG Stadt- und Regionalsoziologie): „Jede Publikation, die offen zugänglich ist, erleichtert den Forschungs- und Lehralltag!“
Dr. Daniel Opoku (FG Management im Gesundheitswesen): „Wissen ist ein Bedürfnis, kein Wunsch und Open Access garantiert den Zugang zu Wissen für alle.“
Prof. Stephan Völker (FG Lichttechnik): „Open Access garantiert auch weniger finanzstarken Hochschulen weltweit Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen.“