Zum Abschluss der diesjährigen Interviewreihe zur Open Access Week kommt Prof. Uwe Nestmann vom Institut für Softwaretechnik und Theoretische Informatik der Fakultät IV zu Wort. Open Access ist durch die intensive Nutzung von Preprint-Servern wie beispielsweise arXiv.org in seinem Fachgebiet schon seit langem ein Thema und etabliert.
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
UN: Zum einen hat die Diskussion um das DEAL-Konsortium auf jeden Fall zu vielen Diskussionen geführt. Möchte man weiterhin als Gutachter/Editor für Verlage tätig sein, für die Gewinnmaximierung das wichtigste Gut ist?
Neben dem Publizieren von Artikeln geht es auch um Forschungsdaten. Besonders die Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen wird in meinem Forschungsbereich durch die mittlerweile oft geforderte „Artifact Evaluation“ viel stärker unterstützt, als das noch vor 10–20 Jahren der Fall war.
Ein anderer Kontext sind Entscheidungen, die in Steering Committees zur Publikation getroffen werden mussten: Geht man Open Access, oder bleibt man bei den klassischen Verlagen?
Auch das Leibniz Center for Informatics auf Schloss Dagstuhl im Saarland hat mit der Entwicklung der Reihen LIPIcs und OASIcs sehr starke und vor allem kostengünstige Möglichkeiten geschaffen, die international sehr beliebt sind. Dies gilt in der Informatik insbesondere für Tagungsbände, die im Vergleich zu anderen Wissenschaften ebenso wichtig wie Zeitschriften sind, wenn nicht sogar wichtiger.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie haben in vergangenen Jahren in dem nichtkommerziellen Open-Access-Journal Logical Methods in Computer Science (https://lmcs.episciences.org/) publiziert und sich kürzlich bei der UB auch für Beteiligung an einer konsortialen Finanzierung eingesetzt (Projekt KOALA). Wie sind Sie auf die Zeitschrift aufmerksam geworden, welchen Stellenwert hat Sie in Ihrem Fachbereich und warum sollte sie Ihrer Ansicht nach unterstützt werden?
UN: Viele Forschende im Bereich der (gerade auch Theoretischen) Informatik sind in gewissem Sinn Idealisten und haben sich schon frühzeitig um Open Access gekümmert. Die Portale https://www.episciences.org/ und auch https://arXiv.org/ wurden hier sehr bereitwillig und intensiv genutzt. So lag es für mich schlicht nahe, mich für die finanzielle Unterstützung dieser Zeitschrift stark zu machen, die verlagsunabhängig operiert und von Anfang an voll auf Open Access gesetzt hat und zwar auch ohne Gebühren für das Publizieren zu verlangen, wie es bei vielen Großverlagen üblich ist. LMCS ist eine der Top-Zeitschriften in dem Forschungsfeld, nicht zu Letzt aufgrund der hohen Anforderungen an die Beiträge.
UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
UN: Ja, natürlich. Gerade wenn die Universitätsbibliothek meiner Universität nicht über einen vertraglichen Zugang verfügte, konnte ich zumindest für Preprints häufig auf arXiv fündig werden.
UB: Bis 2025 sollen laut der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent aller neu erscheinenden wissenschaftlichen Publikationen in Deutschland ausschließlich oder zusätzlich Open Access veröffentlicht werden. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
UN: Ich kenne die aktuellen Zahlen zu wenig, als dass ich das kompetent einschätzen könnte. Anstatt nur die Verbreitung von OA anzustreben, sollte man vielleicht die Sichtweise ändern und stattdessen überlegen, wie man nicht-OA Publikationen behindern/verhindern kann.
UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?
UN: Open Access schafft Barrieren ab und beflügelt die Verbreitung von Erkenntnissen.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
UN: Mein Fachgebiet heißt „Modelle und Theorie Verteilter Systeme“ und gehört zur Theoretischen Informatik. Wir beforschen mathematische Grundlagen, die es ermöglichen, komplexe fehleranfällige Systeme auf ihre Verlässlichkeit hin zu überprüfen.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person:
Prof. Dr.-Ing. Uwe Nestmann ist Hochschullehrer am Institut für Softwaretechnik und Theoretische Informatik der Fakultät IV und Leiter des Fachgebiets „Modelle und Theorie Verteilter Systeme“. Nach eigener Aussage sind Forschung und Lehre für ihn gleichermaßen wichtig, weshalb er es als ein besonderes Privileg empfindet, in diesem Sinne an einer Universität tätig sein zu dürfen.