Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen kommuniziert und rezipiert werden. „Wissen, zu dem es jedoch nur begrenzten oder gar keinen freien Zugang gibt, bleibt elitär und im schlimmsten Falle leer“, schrieb ich in der TU intern-Ausgabe exakt vor einem Jahr. Damit ist das Thema schon umrissen: Open Access als Modell einer freien Wissenschaftskommunikation steht dem traditionellen Closed-Access-Modell gegenüber, welches sich im letzten Jahrhundert etabliert hat. Vorreiter von Wissenschaftsverlagen wie der Verleger Robert Maxwell haben früh erkannt, dass „[…] electronic publishing […] is able to recycle the same piece of information, selling it several times over. […] I set up a perpetual financing machine through advance subscriptions as well as the profits on the sales themselves. It is a cash generator twice over. It’s no use trying to compete with me […]. Scientists are not generally as price-conscious as other professionals, mainly because they are not spending their own money.” (Interview 1988; zitiert nach J. C. Thompsen in College & Research Libraries, 49 (1988), 6, S. 481). Closed-Access-Wissenschaftsverlage haben sich mit diesem Geschäftsmodell zu börsennotierten Unternehmen entwickeln können mit Gewinnen, die höher als jene von Google, Facebook oder Apple ausfallen. Wir müssen und sollten es nicht dabei belassen!
Warum brauchen wir Wissenschaftler*innen Open Access?
Studien belegen eindeutig: Publikationen in qualitätsgesicherten, peer-reviewed OA-Journalen werden häufiger zitiert. Dies führt somit nicht nur zu einer besseren Sichtbarkeit der eigenen Forschungsergebnisse, sondern beseitigt Wissensbarrieren und führt somit zu einem schnelleren Innovationstransfer. In der eigenen Community als auch darüber hinaus. Alle führenden Wissenschaftseinrichtungen der Welt haben erkannt, dass Open Access ein strategisches Element zur Exzellenzwahrung ist und haben entsprechend eigene Open Access Policies verabschiedet.
Was hindert uns Wissenschaftler*innen an Open Access?
Meist Dogmen. „Open-Access-Journale sind qualitativ weniger wert“, „Open-Access-Journale haben kein peer-reviewing“, „Um in meiner Community zu bestehen, muss ich in bereits etablierten hochrangigen (und damit Closed-Access-)Journalen publizieren, die über einen hohen Journal Impact Factor (JIF) verfügen“. Die Realität sieht anders aus. Führende OA-Journale haben ein peer-reviewing und sind bzgl. des JIFs auf Augenhöhe mit Closed-Access-Journalen oder nah dran. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie aufgeholt und diese sogar überholt haben.
Ein weiterer Grund ist die Sichtbarkeit der article processing charge (APC) für Autoren, die sie nun an OA-Journale zahlen müssen und sie vor einer Manuskripteinreichung zurückschrecken lässt. Aber: Die Subskriptionskosten für Closed-Access-Journale gehen in die Milliarden weltweit, sind meist nur den Universitätsbibliotheken bekannt und liegen konkret für die TU Berlin bei ca. 1,65 Mill Euro pro Jahr. Das Ziel der DEAL Verhandlungen ist, dass diese Summe statt für Subskriptionskosten für APCs eingesetzt wird.
Wie können wir Wissenschaftler*innen Open Access unterstützen?
Indem wir vorrangig in „Gold-OA“-Journalen publizieren und auch nur für diese Gutachter- und Editorenaufgaben wahrnehmen. Sollte es in Ihrer Fachcommunity kein hochwertiges OA-Journal geben, sollten Sie Ihr Zweitveröffentlichungsrecht wahrnehmen und somit den sogenannten „Grünen OA“ Weg gehen. Unsere Universitätsbibliothek berät Sie hierbei!
Eine vorrangig Closed Access orientierte Publikationskultur der eigenen Fachcommunity selber aktiv zu verändern, ist möglich, wenn man ein OA-Journal gründet und herausgeberisch tätig wird. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies möglich, aber auch kein einfaches Unterfangen ist. Wie immer bei Veränderungsprozessen ist ein langer Atem nötig. Man wirbt für das Journal auf Konferenzen, erläutert in Editorials warum dieses Journal wichtig für die Community ist, erläutert die (fachliche) Notwendigkeit, sucht Gespräche mit etablierten Kolleg*innen, wirbt um Vertrauen und wirft letztendlich seine eigene Reputation in die Waagschale. Drei Jahre ist „mein“ Journal Fungal Biology and Biotechnology nun alt und ich bin froh, dass es mittlerweile von meiner Fachcommunity akzeptiert und geschätzt wird.
Wohin geht die Reise?
Ein Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Publikationskultur umfasst nicht nur Fachjournale, sondern auch andere Publikationsformen wie Konferenzbände, Sammelbände und Monografien. Auch für diese müssen neue OA-Wege gefunden und beschritten werden.
Es ist mir wichtig hier zu betonen, dass eine gelebte Open-Access-Publikationskultur nur der erste Schritt von vielen ist. Denn die Zukunft sollte eine grundsätzlich nicht-kommerzielle Publikationskultur sein! Es ist falsch anzunehmen, dass kommerzielle Wissenschaftsverlage systemrelevant sind. Sie sind nur Bestandteil des Systems aus historischen und anachronistischen Gründen. Aber das Copyright gehört alleinig den Wissenschaftler*innen, denn sie forschen, publizieren, begutachten und sind herausgeberisch tätig. Es gibt daher meines Erachtens keine ökonomischen oder technischen Gründe, warum kommerzielle (OA-)Verlage Teil des Systems sind. Es gibt mittlerweile genügend nicht-kommerzielle Journale (vor allem im Bereich Big Data), die erfolgreich sind und auch wichtige Impulse aus der Gesellschaft bekommen. Hier ist Citizen Science kein Modewort sondern gelebte Realität und sollte das Modell der Zukunft sein.
Der Artikel erschien im Februar 2018 in gekürzter Form auf den Open-Access-Sonderseiten der TU intern: Meyer, Vera: Wege zu Open Access: Was kann jeder Einzelne von uns tun? in: TU intern, 2 (2018), S. 4 f.
Prof. Dr. Vera Meyer leitet das Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie und ist seit März 2016 Open-Access-Beauftragte der TU Berlin.
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