Dr. Johanna Hoerning ist Mitarbeiterin im Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie an der Fakultät VI. Sie ist Teil der Redaktion des OA-Journals „sub\urban“ und hat darüber hinaus vor Kurzem ein OA-Kolloquium am Institut für Soziologie der TU organisiert. Wir haben sie gefragt, wie es zu diesen Entscheidungen kam und welchen Stellenwert Open Access für ihr akademisches Schaffen hat.
UB TU Berlin / Foto: Doreen Grahl, Grafik: Felix Funke / Alle Rechte vorbehalten
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
AW: Bis vor nicht allzu langer Zeit war Open Access beschränkt auf ein Expertenthema – bei den meisten Kolleg*innen war das Wissen darüber, wie OA-Publizieren funktionieren kann, welche Möglichkeiten damit verbunden und welche Mittel dafür notwendig sind, noch sehr eingeschränkt. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über OA aber stark verallgemeinert. Im internationalen Vergleich ist die deutsche sozialwissenschaftliche Debatte und auch die Umsetzung von OA noch relativ gering.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie sind Teil der Redaktion des OA-Journals „sub\urban“ und haben darüber hinaus vor Kurzem ein OA-Kolloquium am Institut für Soziologie der TU organisiert. Wie kam es zu diesen Entscheidungen?
AW: Sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf das OA-Format bin ich Redaktionsmitglied der Zeitschrift sub\urban aus der Überzeugung heraus, dass der wissenschaftliche Diskurs nicht an den Grenzen der akademischen Institutionen endet. Die Diskussionsveranstaltung am Institut für Soziologie habe ich mit organisiert, weil ich es für essentiell halte, dass wir im Fach ein größeres Bewusstsein für die Möglichkeiten, die Open-Access-Publizieren bietet, schaffen. Es gibt nach wie vor Vorbehalte und Zurückhaltung, was die Publikationspraxis betrifft. Eine fundierte Wissensbasis über OA kann dazu beitragen, beides abzubauen.
UB: Gab es bisher konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
AW: Jede Publikation, die offen zugänglich ist, erleichtert den Forschungs- und Lehralltag!
UB: Bis 2020 sollen laut Open-Access-Strategie des Landes Berlin mindestens 60 Prozent der Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften frei zugänglich sein. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
AW: Ein reiner statistischer Indikator ist m. E. nicht zielführend. Zentral wird es sein, die Prestige- und Aufmerksamkeitsstrukturen innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen zu verändern. Solange es für akademische Karrieren noch unerlässlich ist, in ganz bestimmten Zeitschriften und bei bestimmten Verlagen zu publizieren und diese OA dafür nicht oder nur zu horrenden Preisen einsetzen, wird es nicht gelingen.
UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?
AW: Kosten für die Produktion (Lektorat, Satz u. a.) von Artikeln u.a. werden an der „richtigen“ Stelle erhoben, nämlich da, wo sie entstehen, während die Rezeption von wissenschaftlichen Beiträgen offen zugänglich gemacht wird.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
AW: Schwerpunkte meiner Forschung liegen in der Stadtforschung und politischen Soziologie. Das berührt alle Fragen rund um die soziale und politische Entwicklung von Städten und das Verhältnis zwischen Städten und anderen Maßstabsebenen wie etwa dem Nationalstaat, aber auch supra- und internationaler Zusammenhänge. Gegenstände meiner Forschung sind u. a. soziale Bewegungen und Interessensorganisationen in der Wohnungs- und Asylpolitik.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Dr. Johanna Hoerning hat an der Goethe-Universität Frankfurt Soziologie studiert und dort auch promoviert. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie am Institut für Soziologie der TU Berlin. Ab Oktober 2019 hat sie die Gastprofessur für „Soziale Ungleichheit, Politik und Raum“ dort inne. Außerdem ist sie Teil der Redaktion des OA-Journals „sub\urban — Zeitschrift für kritische Stadtforschung“. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem politische Soziologie und soziologische Stadtforschung, insbesondere Stadttheorie, Raumtheorie und soziale Bewegungen.
Zu den weiteren Teilen der Interviewreihe:
Prof. Valentin Popov (FG Systemdynamik und Reibungsphysik): „Ich betrachte Open Access als natürliche und selbstverständliche Form des wissenschaftlichen Austauschs.“
Dr. Daniel Opoku (FG Management im Gesundheitswesen): „Wissen ist ein Bedürfnis, kein Wunsch und Open Access garantiert den Zugang zu Wissen für alle.“
Dr. Lena Scholz (FG Numerische Mathematik): „Open Access ist der Schlüssel für effizientes wissenschaftliches Arbeiten.“
Prof. Stephan Völker (FG Lichttechnik): „Open Access garantiert auch weniger finanzstarken Hochschulen weltweit Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen.“