Neuer Tag, neues Interview. Anlässlich der internationalen Open Access Week unterhalten wir uns heute mit Prof. Marga Lensen vom Fachgebiet Nanostrukturierte Biomaterialien (LensenLab) der Fakultät II über Open Access und die Notwendigkeit finanzieller Unterstützung für kleine Fachgebiete.
UB TU Berlin / D. Grahl, F. Zillmer / CC BY 4.0
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
ML: Open Access ist in meiner Arbeitsgruppe tatsächlich ein Begriff und wird diskutiert. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die als PostDoc bei mir arbeitet, veröffentlicht alle Publikationen Open Access. Ein anderer PostDoc findet es dagegen inakzeptabel, dass man als Wissenschaftler/in bezahlen muss, um Erkenntnisse Open Access zu publizieren. Ich selbst bin zwiegespalten, zugleich motivieren mich beide Standpunkte: Ich publiziere sehr gerne Open Access, greife dabei aber auf Förderangebote wie den Publikationsfonds der TU zurück. Es wäre wünschenswert, alle Publikationen Open Access veröffentlichen zu können, aber das Budget meines Fachgebiets lässt eine solche Finanzierung nicht zu.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Gemeinsam mit Co-Autor/innen publizierten Sie kürzlich in einem OA-Journal. Wie kam es zur Auswahl des Journals?
ML: Wir haben im vergangenen Jahr mehrere Publikationen Open Access veröffentlicht, neben Beiträgen in OA-Journals auch Buchkapitel. Drei Artikel erschienen kürzlich in der Open-Access-Zeitschrift „Polymers“ im Verlag MDPI. Dazu wurden wir anlässlich einer Konferenz Anfang des Jahres eingeladen. Obwohl der Impact Factor der Zeitschrift nicht sonderlich hoch ist, helfen Open Access und die Special Issues dabei, dass unsere Publikationen eine erhöhte Aufmerksamkeit erhalten. Darüber hinaus haben wir 2017 zwei Buchkapitel Open Access veröffentlicht, ein weiteres Buchkapitel wurde bereits angenommen und wird 2018 erscheinen. Zudem haben wir gerade zwei Conference Proceedings Open Access publiziert, weitere OA-Publikationen in meiner Arbeitsgruppe sind in Planung.
UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
ML: Klar, Open Access steigert die Sichtbarkeit der Publikationen meines Fachgebiets deutlich. Ein Buchkapitel, das vor einigen Jahren veröffentlicht wurde, erreichte mit 4.000 „Reads“ bis dato sehr viel Aufmerksamkeit. Auch die OA-Artikel generierten innerhalb weniger Monate Hunderte von Downloads. Konkrete Vorteile habe ich ansonsten bisher nicht bewusst wahr genommen. Allerdings werde ich vermehrt eingeladen, als Referentin, Editorin oder Sprecherin auf Konferenzen aufzutreten.
UB: Bis 2020 sollen laut Open-Access-Strategie des Landes Berlin mindestens 60 Prozent der Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften frei zugänglich sein. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
ML: Ja, ich halte das Ziel für sehr sinnvoll. 60% ist doch auch gar noch nicht so ambitioniert. Allerdings: Aus meiner Perspektive als Leiterin eines kleinen Fachgebiets mit begrenztem Budget ist die finanzielle Unterstützung der Universität auf diesem Weg unentbehrlich.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde? Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
Im Fachgebiet „Nanostrukturierte Biomaterialien“ beschäftigen wir uns mit polymeren Biomaterialien, die transparent und flexibel sind, ähnlich wie weiche Kontaktlinsen. Die Oberflächen der Biomaterialien modifizieren wir mit Mikro- und Nano-Strukturen aus Nanopartikeln oder topographischen Mustern. Desweiteren werden zelluläre Interaktionen auf diesen Bio-Grenzlächen „Biointerfaces“ untersucht. Hierbei können wir Zelladhäsionen und -migrationen gezielt steuern, die bei der Medizinforschung, insbesondere bei der Gewebezüchtung „Tissue Engineering“, von besonderer Wichtigkeit ist.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Prof. Dr. Marga Lensen leitet das Fachgebiet Nanostrukturierte Biomaterialien am Institut für Chemie der TU Berlin. Als leidenschaftliche Wissenschaftlerin und Mutter zweier Söhne managt sie den Spagat zwischen Forschung und Familie. Ihr LensenLab an der TU ist international aufgestellt und setzt sich mit einem breiten Spektrum von Themen rund um nanostrukturierte Biomaterialien auseinander.
Zu den weiteren Teilen der Interviewreihe:
Vanessa Bach: „Ein guter Ruf und angemessene Qualitätssicherungsverfahren sind wichtige Kriterien bei der Wahl eines Open-Access-Journals“
Thorsten Burandt & Konstantin Löffler: „Der offene Wissensaustausch macht Open Access so spannend.“
Prof. Nina Langen: „Die Einengung auf den Impact Factor als Bewertungssystem der Wissenschaft sollte überdacht werden.“
Prof. Robert Liebich: „Nicht-kommerzieller Open Access ist alternativlos und wird die Zukunft sein.“
Maik Pflugradt: „Open Access ermöglicht, dass meine wissenschaftlichen Ergebnisse weltweit frei zugänglich sind.„