Die Nachfrage nach finanzieller Unterstützung für die Veröffentlichung von Open-Access-Büchern wächst. Autor*innen der TU Berlin haben die Möglichkeit, dafür den Publikationsfonds für Monografien und Sammelbände zu nutzen.
Grundlage für die Finanzierung von Open-Access-Monografien durch Universitäten und Forschungsverbünde ist ein vertrauensvoller, offener, fairer Austausch zwischen den Förderern und den Buchverlagen. Die von den Verlagen für ihre Serviceleistungen in Rechnung gestellten Kosten müssen für die Förderer transparent und plausibel sein.
Mit fünf Fragen an Dr. Karin Werner vom Verlag transcript setzen wir unsere Interviewreihe mit wissenschaftlichen Verlagen fort. Auch Karin Werner setzt auf Transparenz und formuliert: „Das Vertrauen der Förderer müssen wir uns verdienen.“
1) Frau Werner, würden Sie uns bitte Ihren Verlag in wenigen Sätzen vorstellen? Was ist das Selbstverständnis Ihres Verlages?
transcript ist ein Verlag in den Sozial- und Kulturwissenschaften, der ein klassisches Selbstverständnis mit einer innovativen Ausrichtung verbindet. Circa 400 Neuerscheinungen pro Jahr und ein Autor*innenstamm, in dem sich neben zahlreichen renommierten Autor*innen auch vier Leibniz-Preisträger*innen befinden, bringen die Kombination aus starker Präsenz in unseren wissenschaftlichen Disziplinen und unseren hohen Qualitätsanforderungen zum Ausdruck. Als Partner diverser SFB und Exzellenz-Cluster sowie anderer international renommierter Forschungseinrichtungen gelingt es uns immer wieder, feldbestimmende Publikationen zu verlegen. Wir sind auf Tuchfühlung mit der Wissenschaft und in engem Kontakt mit unseren Autor*innen, die die Kooperation mit uns suchen. Gemeinsam mit ihnen entwickeln wir editorische Ideen und Profile, Produkte und zeitgemäße Formen der Kommunikation von Wissenschaft. Dabei haben digitale Strukturen und Praxen von Anfang an eine wesentliche Rolle gespielt.
2) Was bewegt Sie dazu, ein Open-Access-Geschäftsmodell anzubieten? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Verlag hinsichtlich Open Access?
Unsere hohe Affinität zu digitalen Formen der Kommunikation brachte uns bereits im Jahr 2012 in Kontakt mit Creative-Commons-Lizenzen und Open Access (OA). Auslöser dafür war ein Buchprojekt der Commons-Aktivistin Silke Helfrich, die unter einer CC-Lizenz publizieren wollte. Es entspann sich eine längere Diskussion, an deren Ende wir beschlossen, „es zu wagen“. Die beeindruckende Rezeption des Buches veranlasste uns dann, am Thema dranzubleiben und Schritt für Schritt eine OA-Policy (und Haltung) sowie entsprechende Geschäftsmodelle zu entwickeln. Bis heute hat transcript circa 670 Publikationen Open Access publiziert und ist damit einer der führenden OA-Verlage im deutschsprachigen Raum.
Open Access erwies sich als zwiespältig für uns. Positiv ist: Open Access „boostet“ die Wahrnehmung der Bücher, sofern wir das übersehen und messen können. Negativ (aber auch erwartbar) sind hingegen die deutlich messbaren Rückgänge der Printverkäufe und die daraus resultierende Notwendigkeit, neue Geschäftsmodelle und Akteurskonstellationen zu bilden. Open Access erfordert neuartige Organisationsformen, die anders als die klassischen Formen des Verkaufs und Erwerbs von Inhalten gedacht werden müssen. Wir widmen uns diesem Themenkomplex innerhalb einer bereits vor Jahren aufgebauten OA-„Taskforce“, die die verschiedenen Verlagsbereiche vom Lektorat über das Rights Management bis hin zum E-Book-Vertrieb abdeckt und in einen dauerhaften kreativen Dialog bringt. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass Open Access nur eine technische und wirtschaftliche Herausforderung bzw. Aufgabe darstellt. Es umfasst vielmehr eine neue Publikationskultur, deren Konturen sich uns heute noch nicht randscharf darstellen.
3) Welche Möglichkeiten zum Open-Access-Publizieren haben Autor*innen in Ihrem Verlag? Welche Services bieten Sie Autor*innen im Bereich Open Access?
Unsere Autor*innen sind unsere aktiven Partner*innen im OA-Publizieren. Wir lernen von ihnen und wissen mittlerweile, worauf es den meisten ankommt. Als Verlag ist uns daran gelegen, den Autor*innen eine möglichst hohe Sichtbarkeit auf möglichst vielen wissenschaftlichen Bühnen zu garantieren. Das geht mit nichts besser als mit Open Access und Creative-Commons-Lizenzen. Unsere Services umfassen die rechtliche Beratung (Lizenzen und Co.), die Beratung in Bezug auf mögliche technische Formate (medienneutrale Herstellung, PDF, EPUB, XML), die DOI-Erstellung auch für Einzelkapitel (Chunks) sowie die Zugänglichmachung der Inhalte (via Referenz-Datenbanken und OAI-Schnittstelle). Wir erleben, dass im Zusammenhang mit Open Access das Peer Review verstärkt nachgefragt wird und haben dafür eine eigene Peer-Review-Plattform entwickelt – ein Autor*innenspace zur Datenübermittlung folgt.
4) Wie kalkulieren Sie Open-Access-Publikationen?
Was die Kalkulation von OA-Projekten betrifft, gehen wir von unseren Betriebskosten aus. Derzeit sind diese für OA-Projekte noch etwas höher als für kostenpflichtige Produkte (Grund dafür sind OA-spezifische Sonderaufwände u.a. in der IT-Infrastruktur), was sich in einigen Jahren aber ändern wird. Die Betriebskosten setzen wir bei der Kalkulation nahezu vollständig an. Auf Wunsch geben wir diese Zahlen an Förderer*innen weiter, da wir Transparenz für essenziell halten und Open Access sich aus unserer Sicht langfristig nur als Partnerprojekt bzw. Kollaboration umsetzen lässt. Das Vertrauen der Förderer*innen müssen wir Verlage uns verdienen.
Können Sie uns ein Preis-Beispiel für eine Standardpublikation nennen?
Für eine Standardpublikation von ca. 300 Seiten können 6.000 EUR zzgl. MwSt. veranschlagt werden. Wenn Zusatzleistungen (aufwändige Lektorate, Akzidenzsatz, Tabellen und Diagramme, Bildbearbeitungen, Register, Enhanced E-Book etc.) notwendig sind, werden die Kosten dafür aufgeschlagen. Auch die Aufwände von Händlern oder anderen Intermediären (z.B. Knowledge Unlatched) werden auf diese Gebühren aufgeschlagen.
Gibt es aus Ihrer Sicht Publikationen, die für Open Access besonders geeignet sind?
Prinzipiell sind alle Publikationen für Open Access geeignet. Für besonders kompatibel halten wir jene, die sich an eine digital affine Leser*innenschaft richten, aber auch Studienliteratur bietet sich an. Und „last but not least“ funktionieren Publikationen mit Zeitbezug im Open Access sehr gut (Politik, digitale Gesellschaft, Sozialstruktur) – und gehen oft sogar viral. Sozialwissenschaften werden (noch?) besser wahrgenommen als (einige) Kulturwissenschaften oder Philosophie. Wichtig ist aber ganz allgemein, dass die Verlage, die OA-Publikationen aktiv unterstützen, möglichst eigene Kommunikationskanäle und -formen entwickeln, um Autor*innen die größtmögliche Sichtbarkeit zu geben (z.B. Präsenz auf der Verlagswebsite, eigener Newsletter und vieles mehr). Open Access ist nämlich nicht gleich Open Access.
5) Was wünschen Sie sich von den Universitätsbibliotheken und Fördereinrichtungen in Bezug auf Publikationsfonds für Open-Access-Bücher?
Angesichts der Tatsache, dass wir ca. 200 Anfragen für OA-Publikationen im Jahr verzeichnen, sind wir sehr froh, dass sich eine (noch eher kleine, aber stetig wachsende) Förderlandschaft durch und in Bibliotheken herausbildet. Wir wünschen uns, dass wir in einen offenen, transparenten und fairen Austausch mit den Bibliothekar*innen, die zunehmend als Publikationsnavigator*innen tätig werden, kommen und die OA-Transformation gemeinsam so gestalten können, dass alle Beteiligten ihre spezifischen Stärken einbringen können. Aktuell sehen wir hier die Notwendigkeit, durch Community-Building-Prozesse näher aneinander heranzurücken und die epochale Zäsur, vor der wir stehen, so zu bewältigen, dass wir im Rückblick stolz darauf sein können, diese zum Wohle der Wissenschaft gemeistert zu haben.
Vielen Dank!