Seit März 2018 steht den Wissenschaftler*innen der TU Berlin ein Fonds zur Förderung von Open-Access-Büchern zur Verfügung. Die Förderung von Open-Access-Büchern bedarf anderer Überlegungen als die inzwischen weitgehend etablierte Förderung von Aufsätzen in Open-Access-Zeitschriften. Es gilt, Open Access für Monografien und Sammelbände zu fördern und dabei die Breite der wissenschaftlichen Verlagslandschaft zu erhalten. Um mehr über die Haltung der Verlage zu Open Access zu erfahren, fragen wir Bianca Matzek von der Verlagsgruppe Peter Lang zu ihrer Motivation, Open-Access-Geschäftsmodelle anzubieten.
1) Liebe Frau Matzek, bitte stellen Sie uns Ihren Verlag in wenigen Sätzen vor. Was ist das Selbstverständnis Ihres Verlages?
Die Peter Lang Verlagsgruppe besitzt über 40 Jahre Erfahrung im Verlegen akademischer Schriften und ist weltweit in den Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften aktiv. Dabei publizieren wir jedes Jahr mehr als 1200 Titel. In jeder Hinsicht ist die Peter Lang Verlagsgruppe ein in mehreren Sprachräumen agierendes, modernes, dynamisches Unternehmen, das in seiner Branche eine ganz spezielle Nische besetzt. Seine hochqualitativen Verlagsdienstleistungen richten sich an weiterführende Bildungseinrichtungen und Universitäten, mit einem besonderen Engagement für die weltweite Verbreitung akademischer Forschungsergebnisse, wozu moderne Publikationsverfahren eingesetzt werden. Internationalität, die Nähe und individuelle Betreuung der Autor*innen steht auch in digitalem Zeitalter im Zentrum unseres Handelns. Heute umfasst die Peter Lang AG fünf eigenständige Verlagsstandorte in Bern, Brüssel, Berlin, Oxford und New York sowie zahlreiche angeschlossene Lektorate und Vertretungen in weiteren Ländern und Städten. Dabei setzen wir auch in Zukunft auf Unabhängigkeit. Ziel ist der Ausbau der Gruppe zu einem führenden Wissenschaftsverlag und Dienstleistungsunternehmen, der von klassischen Printprodukten über sämtliche digitale Formate bis zu Open Access die gesamte Palette modernen Publizierens in allen Bereichen der Wertschöpfungskette bedient.
2) Was bewegt Sie dazu, Open-Access-Geschäftsmodelle anzubieten? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Verlag hinsichtlich Open Access?
Nicht erst seit das BMBF die Open-Access-Richtlinie in Deutschland erlassen hat, bemühen wir uns Open Access dort anzubieten, wo es gewünscht ist. Bereits vor über fünf Jahren haben wir in der Schweiz an ersten Pilotprojekten zum Thema Open Access aktiv mitgearbeitet. Als Pioniere war dies damals die einzige, zunächst sehr bescheidene aber pragmatische Möglichkeit, ein Buch in alter Auflage verfügbar zu halten, für das wir aus verschiedenen Gründen keine Neuauflage hätten anbieten können. Mittlerweile bieten wir diverse Open-Access-Geschäftsmodelle an. und werden diese entsprechend den Anforderungen weiter kreativ ausbauen.
Für uns bedeutet Open Access generell eine Veränderung hin zum innovativen
wissenschaftlichen Publizieren. Bislang tragen wir als global agierender Verlag bzw. als Publisher das alleinige Risiko, dass eine Publikation sich nicht bzw. schlechter verkauft, als wir es ursprünglich kalkuliert haben. Durch diese Vorleistungen und die damit verbundene Vorfinanzierung gehen wir ein hohes unternehmerisches Risiko ein. Bei Open-AccessPublikationen wissen wir im Vorfeld bereits, dass niemals ausreichend Verkaufserlöse erwirtschaftet werden. Dennoch müssen alle Kosten – von der Herstellung bis zu den Gemeinkosten, von den Kosten für Sales bis hin zum Marketing –von Dritten gedeckt werden. Mit der damit entstandenen neuen Rolle als reiner Serviceanbieter sind wir in besonderem Masse abhängig von öffentlichen Institutionen, die in den einzelnen Ländern unterschiedliche Erfahrungshorizonte und strategische Pläne mit dem Open-Access-Publizieren haben. Erst mit deren Unterstützung können wir unseren internationalen Autor*innen und Herausgeber*innen internationaler Hochschulen den Service anbieten, den sie aus unserer Sicht zurecht erwarten können, jedenfalls dann, wenn sie im Open Access erscheinen sollen bzw. müssen. Dabei stellen wir fest, dass die sozial- und geisteswissenschaftlichen Publikationen noch nicht so weit im modernen Open-Access-Publizieren fortgeschritten sind wie etwaige naturwissenschaftliche oder technische Verlagspublikationen, wo Open Access schon lange eine Selbstverständlichkeit im wissenschaftlichen Publizieren ist.
3) Welche Möglichkeiten zum Open-Access-Publizieren haben Autor*innen in Ihrem Verlag? Welche Services bieten Sie Autor*innen im Bereich Open Access?
Generell bieten wir den gleichen Service bei Open-Access-Publikationen an wie bei konventionellen Buchpublikationen. Das bedeutet, wir prüfen seitens eines erfahrenen Lektorates die Eignung für unser Programm bzw. die einzelnen Fachdisziplinen. Aus Qualitätsgründen checken wir über verschiedene wissenschaftliche Verfahren (Peer Review, Plagiatscheck, etc.) die Manuskripte. Wir beraten und begleiten die Herausgeber*innen durch den gesamten weiteren Publikationsprozess, auch z.B. mit Blick auf die Vergabe der entsprechenden Lizenzen usw. Dabei bieten wir selbstverständlich an, das Layout und den Satz sowie die Titelei zu machen, vergeben ISBN und DOI und sorgen dafür, dass die Titelmeldungen in den wichtigsten Online-Katalogen des Buchhandels weltweit eingetragen werden. Mittels unseres global agierenden Vertriebes und Kundendienstes sorgen wir für Sichtbarkeit und Auffindbarkeit in allen medialen Formen und Formaten. Dabei nutzen wir neben den klassischen Marketingkanälen primär das Online- und Direktmarketing sowie die Vermarktung über Social-Media-Kanäle und Webshops und die einschlägigen universitären Repositorien.
Abhängig vom Komplexitäts- und Innovationsgrad des Buches kann nach Wunsch jede*r Autor*in, vorausgesetzt die inhaltliche Qualität ist ausreichend gesichert und ein Mehrwert ist ersichtlich, gegen eine Gebühr im Goldenen Open Access publizieren – die Publikation kann also mit Erscheinen als Print zeitgleich als Open Access verfügbar sein. Wir bieten diese Option für Bücher, für Einzelbeiträge aber auch Sammelbände und Zeitschriftenaufsätze an.
Ebenso gibt es die Möglichkeit, die eigenen Publikationen im Grünen Open Access zu veröffentlichen, also zeitversetzt zum ersten Erscheinen mit einer Embargofrist von durchschnittlich 12 bis 24 Monaten. Eine Auswahl von Open-Access-Buchtiteln, deren Veröffentlichung bei Peter Lang z.B. vom Schweizer Nationalfonds (SNF) unterstützt wurde, kann in dem öffentlichen Verzeichnis Directory of Open Access Books (DOAB) eingesehen werden.
4) Wie kalkulieren Sie Open-Access-Publikationen? Gibt es aus Ihrer Sicht Publikationen, die für Open Access besonders geeignet sind?
Auch hier gilt es individuell projekt- und aufwandsbezogen entsprechend herkömmlichen Projekten zu kalkulieren und abzuschätzen. Leider stellen wir fest, dass in den entsprechenden kaufmännischen Kalkulationstools der Verlage diese Form noch nicht ausreichend Berücksichtigung findet. Auch stellen wir immer wieder bei komplexen wissenschaftlichen Open-Access-Projekten fest, dass Fragen zum Datenschutz vor allem bei qualitativer, Audio- und Video-gestützter Forschung noch nicht ausreichend beantwortet sind. Hier sind die Wissenschaftler*innen zum Teil hilflos und werden nicht fachgerecht und professionell beraten und/oder unterstützt durch die öffentliche Hand und entsprechende Institutionen. Hier besteht noch erheblicher Aufklärungsbedarf. Ich denke hier z.B. an konkrete Helpdesks und Open Access Service Hotlines. Unser amerikanisches Lehr- und Studienprogramm eignet sich hervorragend für das Open-Access-Publizieren, da insbesondere angelsächsisch geprägte Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen besonders offen sind, diese Form von Publikation weltweit zu nutzen. Der Aufwand jedoch im Vorfeld dies konzeptionell zu entwickeln ist deutlich höher als bei herkömmlichen Forschungspublikationen.
5) Was wünschen Sie sich von den Universitätsbibliotheken und Fördereinrichtungen in Bezug auf Publikationsfonds für Open-Access-Bücher?
Hier wünsche ich mir in aller erster Linie noch deutlich mehr Transparenz und fachgerechte Schulung aller hiervon betroffenen Mitarbeiter*innen. Es fehlen transparente Informationen über die Kriterien und das Bewilligungs- und Zuteilungsverfahren von Open-Access-Gebühren der Bibliotheken. Dies ist bisher weder national noch global ausreichend und zufriedenstellend aus meiner Sicht geregelt. Dabei ist die Schweiz sicher führend im Vergleich zu vielen anderen Ländern. Es stellt sich auch die Frage, wie werden zukünftig die Fördergelder verteilt. Bekommt der prekär beschäftigte Wissenschaftsnomade die Chance dieselben Fördergelder zu beantragen wie etablierte Reihenherausgeber*innen von Exzellenzuniversitäten mit Sonderforschungsbereichen? Was ist mit den renommierten Wissenschaftler*innen in Asien (Russland, China, Korea, Indien, Taiwan), Südamerika etc.? Gibt es weitere Sondertöpfe für die Förderung von Open-Access-Projekten nach Fachbereichen? Wie werden hochschulübergreifende internationale Forschungsprojekte gefördert? Fragen, die alle bisher noch nicht ausreichend international beantwortet sind. Hier kann ich nur einen ersten Denkanstoß und unsere Erfahrungen weitergeben.