Dr. Thomas Meyer vom Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagentechnik der Fakultät III sprach mit uns über die Entscheidung, einen Vorab-Tagungsband auf dem TU-Repositorium DepositOnce zu veröffentlichen und über aus seiner Sicht nötige Schritte zur Verbreitung einer Open-Access-Kultur. Weiter geht es mit unserer Interviewreihe zur Open Access Week 2021…
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
TM: Erklärtes Ziel des Fachgebietes Maschinen- und Energieanlagentechnik ist es, möglichst viele der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Open Access einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Ein wichtiger Aspekt bei diesem Vorhaben ist es, die wissenschaftliche Qualität durch das Peer-Review zu gewährleisten und dies auch nachvollziehbar für die Leserschaft kenntlich zu machen. Aus meiner Sicht auch als Gutachter für Publikationen anderer Wissenschaftler*innen steht die Transparenz in der wissenschaftlichen Methodik hier im Vordergrund, welche ebenso auf den Publikationsprozess angewendet werden sollte.
Trotz dieser Herausforderungen bei diesem Transformationsprozess hin zu frei zugänglicher Wissenschaft ist für mich persönlich die Vision der Wissenschaft für alle Interessierten ein persönliches Anliegen.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie und Ihr Team haben einen Vorab-Tagungsband auf dem TU-Repositorium DepositOnce veröffentlicht. Wie kam es dazu, welche Geschichte steckt dahinter?
TM: Das Organisationskomitee der International Sorption Heat Pump Conference 2021 (ISHPC2021) hat sich entschlossen die Tagungsbände auf der DepositOnce Plattform bereitzustellen, weil aus unserer eigenen Erfahrung die Zugänglichkeit und die Weiterverwendung von Konferenzbeiträgen in der Vergangenheit durch Zugangsbeschränkungen meist nur sehr erschwert möglich war. Aus unserer Sicht war der Gedanke des freien Zugangs und der Austauschmöglichkeit der Konferenzbeiträge auch weit über die Konferenz hinaus von zentraler Bedeutung. Der nötige Peer-Review-Prozess wurde durch das wissenschaftliche Komitee sichergestellt, welches die Beiträge vor der Veröffentlichung kritisch begutachtet hat.
UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
TM: Ich möchte hier sehr gerne das Beispiel der oben genannten Tagungsbände aufgreifen. Die Konferenz war ursprünglich für 2020 geplant und musste pandemiebedingt verschoben werden; die 2020 bereits eingereichten und begutachteten Beiträge wurden dennoch schon online publiziert – als „online pre-conference 2020“. Parallel zur eigentlichen Tagung in 2021 wurde zusätzlich der zweite Teil publiziert – mit teils neuen, teils überarbeiteten Beiträgen. Für uns als Organisatoren der ISHPC2021 war die Betreuung und Unterstützung durch das Open-Access-Team der Universitätsbibliothek sehr hilfreich. Von Anfang an wurden wir kompetent unterstützt, aber niemals gedrängt. Uns wurde jedoch die Entscheidung darüber, ob wir die Tagungsbände als Open Access zur Verfügung stellen, schlussendlich leicht gemacht. Ohne diese Möglichkeit der universitätsinternen, frei zugänglichen Veröffentlichung hätten wir mit verschiedenen Verlagen in Verbindung treten müssen, um die Open-Access-Konditionen mit diesen zu verhandeln.
UB: Bis 2025 sollen laut der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent aller neu erscheinenden wissenschaftlichen Publikationen in Deutschland ausschließlich oder zusätzlich Open Access veröffentlicht werden. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
TM: Das Ziel als solches halte ich durchaus für sinnvoll, frage jedoch wie auch bei anderen politischen Zielvorgaben nach den konkreten Umsetzungsvorhaben. Welche Maßnahmen im alltäglichen Wissenschaftsbetrieb sollen erfolgen, um dieses Ziel zu erreichen? Werden zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, welche die meist zu bezahlende Arbeit der Verlagshäuser für Open Access finanzieren? Werden Kompetenzteams zur persönlichen Beratung finanziert? In unseren Forschungsanträgen sehen wir bereits finanzielle Mittel für Open-Access-Veröffentlichungen vor, die meist auch ohne Beanstandungen genehmigt werden. Es sollte aus meiner Sicht aber neben den einzelnen Verlagshäusern, die Open Access als einen Teil ihres Portfolios anbieten, auch öffentlich geförderte Anbieter mit kompetenter Beratung geben, wie z.B. DepositOnce der TU Berlin. Ich denke, dass dies einen zentralen Baustein darstellt für die nachhaltige Verbreitung der Open-Access-Kultur.
UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?
TM: Mit Open Access lässt sich die Vision nach transparenter Wissenschaft für alle und über alle Grenzen hinweg verwirklichen.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
TM: Ein Hauptforschungsgebiet am Fachgebiet sind Absorptionswärmepumpenprozesse, welche in der Lage sind, mittels Wärme Kälte bereitzustellen. Ein interessantes Projekt, welches ich am Fachgebiet gerade mit weiteren Kollegen durchführen darf, ist das Projekt „Simples solares Konditionieren von Luft (Kühlen)“. Ziel dieses Projektes ist es, den Strombedarf bei der Luftkühlung drastisch zu senken und diesen Bedarf durch Niedertemperatursolarwärme zu ersetzen. Dieses Unterfangen ist insbesondere vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung ein wichtiger Baustein zur Emissionsreduktion durch stärkere direkte Einbindung lokaler regenerativer Energieressourcen bei einem zukünftig voraussichtlich stark anwachsenden Bedarf an klimatisierter Luft.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Dr. Thomas Meyer hat an der TU Berlin Energie- und Verfahrenstechnik studiert und am Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagentechnik bei Prof. Felix Ziegler promoviert. Seine Doktorarbeit wurde 2016 ebenfalls über DepositOnce online veröffentlicht. Derzeit arbeitet er als Post-Doc am Fachgebiet und versucht neben der Betreuung der Vorlesung Maschinenlehre in Forschungsprojekten zur energieeffizienten Luftklimatisierung einen Beitrag zur Erreichung der international gesetzten Klimaziele zu leisten.
Zu den weiteren Teilen der diesjährigen Interviewreihe:
Dzifa Ametowobla (Fachgebiet Digitalisierung der Arbeitswelt): „Open Access braucht nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern vor allem kluge Strategien und eine Zusammenarbeit aller Institutionen der Wissenschaft.“
PD Dr. Jan Pfetsch (Fachgebiet Pädagogische Psychologie): „Ich veröffentliche gern Manuskripte und Forschungsberichte Open Access, um die Sichtbarkeit meiner Forschungsergebnisse zu erhöhen.“
Irmela Roschmann-Steltenkamp & Adina Stern (Zentrum für Antisemitismusforschung): „Open Access spart in der Erwerbung für unsere Bibliothek Geld und Arbeit. Frei zugängliche Literatur ist für den Forschungs- und Arbeitsalltag von großer Bedeutung.“
Prof. Dr. Sabine Hark (Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung): „Open Access ist ein Motor für die Demokratisierung von Bildung und Wissenschaft – wenn sie gemeinwesenbasiert ist und nicht kapitalgetrieben.“
Übersicht aller bislang in der Interviewreihe erschienenen Beiträge.
Ausstellung aller Open-Access-Statements auf dem Flickr-Profil der Universitätsbibliothek.