„Ich veröffentliche gern Manuskripte und Forschungsberichte Open Access, um die Sichtbarkeit meiner Forschungsergebnisse zu erhöhen.“

Für unsere Interviewreihe zur internationalen Open Access Week 2021 sind wir heute im Gespräch mit PD Dr. Jan Pfetsch vom Fachgebiet Pädagogische Psychologie der Fakultät I. Für das Projekt „Der digitale Campus“ hat er Berichte über das TU-Repositorium DepositOnce veröffentlicht. Wir haben uns mit ihm über Open Access und das Für und Wider verschiedener Publikationsmodelle unterhalten.

Das Bild zeigt Jan Pfetsch mit seinem Statement: "Ich verkaufe gern Manuskripte und Forschungsberichte Open Access, um die Sichtbarkeit meiner Forschungsergebnisse zu erhöhen."
UB TU Berlin / Foto: Doreen Grahl, Grafik: Hannelore Stöcklein / Alle Rechte vorbehalten

UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?

JP: Ich veröffentliche gern Manuskripte oder Forschungsberichte Open Access, um die Sichtbarkeit der Ergebnisse meiner Forschung zu erhöhen. In der Psychologie wird aktuell auch die Veröffentlichung von empirischen Datensätzen diskutiert und in Stellungnahmen zur Forschungspraxis gefordert. Da hierbei die Rechte der Befragten in empirischen Projekten und der Datenproduzierenden berücksichtigt werden müssen, beobachte ich hier neben einer gewissen Zurückhaltung auch einige positive Beispiele, vor allem in größeren Forschungsprojekten.

UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Für Ihr BMBF-Projekt „Der Digitale Campus“ haben Sie Berichte über das TU-Repositorium DepositOnce veröffentlicht. Warum hier und nicht bei einem Verlag oder auf Ihrer TU-Webseite?

JP: Die Berichte im Projekt „Der Digitale Campus“ habe ich gezielt im TU-Repositorium DepositOnce veröffentlicht. Dieses stellt eine dauerhafte Infrastruktur und leichte Zugänglichkeit für die Veröffentlichung zur Verfügung und TU-Mitglieder können dort niedrigschwellig und mit professioneller Unterstützung publizieren. Die Open-Access-Veröffentlichung ist dabei nicht mit Gebühren verbunden, auch wenn die Sichtbarkeit in Fachverlagen aktuell noch höher sein mag als in Repositorien. Webseiten veralten schnell und benötigen viel Pflege. Ein zentraler Ort für Publikationen an der TU Berlin erleichtert das Auffinden von Informationen für Außenstehende.

UB: Gab es bereits konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?

JP: Ich greife häufig auf Vorab-Veröffentlichungen („Preprints“) wissenschaftlicher Literatur zurück. Neben einer gut aufgestellten Universitätsbibliothek mit Zugang zu einer großen Auswahl wissenschaftlicher Zeitschriften erleichtert dies die Literaturrecherche enorm.

UB: Bis 2025 sollen laut der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent aller neu erscheinenden wissenschaftlichen Publikationen in Deutschland ausschließlich oder zusätzlich Open Access veröffentlicht werden. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?

JP: Den Großteil wissenschaftlicher Publikationen frei zugänglich zu haben, ist für Forschung und Lehre sicherlich ein großer Gewinn. Je nach Fachdisziplin sind Zeitschriften, Tagungspublikationen oder Sammelbände und Monographien wichtiger für den wissenschaftlichen Fortschritt. Daher stehen klassische Buchverlage stärker unter Druck, da Publikationen für sie zugleich ökonomische Funktionen erfüllen müssen. Eine Auslagerung aller Arbeitsschritte einer Buchpublikation (wissenschaftliche Begutachtung, Lektorat, Layout und Satz, Erstellen einer Druckfassung) auf die Forschenden halte ich nicht immer für sinnvoll. Da wird nach dem IKEA-Prinzip die Arbeit auf den Kunden ausgelagert. Umgekehrt finde ich die Finanzierung hoher Open-Access-Gebühren für Buchverlage durch Drittmittelgeber ebenfalls nicht überzeugend. Mir scheint, dass es daher Modelle der Publikation ohne Buch- und Zeitschriftenverlage ebenso geben sollte wie Publikationen in Verlagen, die durch veränderte Geschäftsmodelle überlebensfähig bleiben sollten.

UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?

JP: Open Access ermöglicht freien Zugang zu freiem Wissen.

UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde. Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?

JP: Meine Forschung fokussiert auf das Lernen mit digitalen Medien in Schule und Hochschule sowie auf die soziale und medienbezogene Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Welche Kompetenzen benötigen Lehrkräfte, um das Lernen mit und über Medien bei ihren Schülerinnen und Schülern zu fördern? Wie kann Hochschullehre die Vorzüge digitaler Medien für das Lernen von Studierenden nutzen? Wie kann prosoziales Verhalten von Jugendlichen bei negativer Kommunikation, Cyberbullying und Hate Speech im Internet gefördert werden? Mit diesen und weiteren Fragen erforsche ich vielfältige Aspekte der Digitalisierung in Bildungskontexten und Kommunikationsprozessen.

UB: Herzlichen Dank für das Interview!

Zur Person

PD Dr. Dipl.-Psych. Jan Pfetsch ist Postdoc und Projektleiter am Fachgebiet Pädagogische Psychologie. Er vertrat Professuren an der Universität Konstanz sowie der Technischen Universität Berlin und leitet aktuell mehrere Forschungsprojekte zum Thema Lehren und Lernen mit digitalen Medien sowie negativem und prosozialem Verhalten von Jugendlichen im Internet. Seine Forschung zielt auf einen Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft und die Praxis, weshalb er „Open-Access-Veröffentlichungen schätzt“. 

Zu den weiteren Teilen der diesjährigen Interviewreihe:

Dzifa Ametowobla (Fachgebiet Digitalisierung der Arbeitswelt): „Open Access braucht nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern vor allem kluge Strategien und eine Zusammenarbeit aller Institutionen der Wissenschaft.“

Irmela Roschmann-Steltenkamp & Adina Stern (Zentrum für Antisemitismusforschung): „Open Access spart in der Erwerbung für unsere Bibliothek Geld und Arbeit. Frei zugängliche Literatur ist für den Forschungs- und Arbeitsalltag von großer Bedeutung.“

Dr. Thomas Meyer (Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagetechnik): „Dank Open Access ist Schluss mit Zugangsbeschränkungen und der erschwerten Weiterverwendung von Konferenzbeiträgen, auch über die eigentlichen Konferenzen hinaus.“

Prof. Dr. Sabine Hark (Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung): „Open Access ist ein Motor für die Demokratisierung von Bildung und Wissenschaft – wenn sie gemeinwesenbasiert ist und nicht kapitalgetrieben.“

Übersicht aller bislang in der Interviewreihe erschienenen Beiträge.

Ausstellung aller Open-Access-Statements auf dem Flickr-Profil der Universitätsbibliothek.

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