Den Auftakt unserer diesjährigen Interviewreihe macht Dr. Simone Wurster, Wissenschaftlerin im Fachgebiet Innovationsökonomie an der Fakultät VII – Wirtschaft und Management. In diesem Jahr hat sie zwei Artikel Open Access veröffentlicht und zur Finanzierung den TU-Publikationsfonds genutzt. Wir haben sie gefragt, wie es zu dieser Entscheidung kam und welchen Stellenwert Open Access für ihr akademisches Schaffen hat.
UB: Open Access ist ein strategisches Ziel der TU Berlin. Wie sieht das in Ihrem Forschungsalltag aus? Ist Open Access ein Begriff? In welchen Kontexten nehmen Sie Diskussionen zu Open Access wahr?
AW: Mit dem Thema Open Access bin ich sehr vertraut. In EU-geförderten Forschungsprojekten beispielsweise wird großen Wert daraufgelegt, dass Forschungsergebnisse auf diese Weise einer großen Zielgruppe verfügbar gemacht werden. Im Programm Horizont 2020 zum Beispiel besteht für die Verbreitung der Forschungsergebnisse sogar eine Pflicht zur Open-Access-Veröffentlichung in Form von Publikationen sowie der ihnen zugrundeliegenden Daten.
UB: Open Access hat den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information zum Ziel. Sie nutzen das TU-Repositorium, um Artikel, die beim Verlag hinter einer Paywall stecken, für alle weltweit frei zugänglich zu machen. Und Sie haben in diesem Jahr schon zweimal den TU-Publikationsfonds genutzt, um OA-Gebühren zu finanzieren. Wie kam es zur Auswahl der Journale und zu dieser Entscheidung?
AW: Ich wurde nach einer Konferenz im letzten Jahr auf einen interessanten Call for Papers eines Open-Access-Journals von MDPI aufmerksam. Teilnehmende wurden eingeladen, zu einem Special Issue beizutragen. Durch einen Kollegen erfuhr ich im Hinblick auf die Bearbeitungskosten des Journals vom Publikationsfonds der TU Berlin. Das betreffende Journal passt inhaltlich ausgezeichnet zu meinen Forschungsschwerpunkten. Auch der zweite Open-Access-Artikel wurde dort veröffentlicht.
UB: Gab es bisher konkrete Situationen in Ihrem Forschungsalltag, in denen Open Access hilfreich war?
AW: Ja. In einem Forschungsprojekt war ich beispielsweise für die Durchführung eines Literaturreviews von verschiedenen Forschungspartnern verantwortlich. Bei Open-Access-Artikeln konnte ich sicher sein, dass die Partner auch Zugang zu den betreffenden Artikeln hatten. So wurden sie vorrangig mit dem Review von Open-Access-Artikeln betraut, während andere Forschende auch Closed-Access-Artikel analysierten.
UB: Bis 2020 sollen laut Open-Access-Strategie des Landes Berlin mindestens 60 Prozent der Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften frei zugänglich sein. Erscheint Ihnen dieses Ziel sinnvoll? Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit dieses Vorhaben gelingen kann?
AW: Open Access muss allgemein bezahlbar sein, ggf. durch Förderfonds zur Veröffentlichung herausragender Arbeiten, insofern anderweitig Mittel zur Veröffentlichung fehlen. Zudem spielt der Impact Factor eine große Rolle. Er wird sowohl auf Seiten der Publizierenden als auch auf Seiten der Leserschaft durch Netzeffekte beeinflusst. Werbung der Journals ist dabei ein wichtiger Faktor, aber auch Vorgaben zur Open Access-Publikation, wie z.B. in den erwähnten EU-Projekten.
UB: Kurz und knapp in einem Satz: Was finden Sie gut an Open Access?
AW: Ich schätze die barrierefreie Möglichkeit zur Verbreitung meiner Forschung ebenso wie den eigenen Zugriff auf Fachartikel. Insbesondere im Corona-Kontext ist der digitale Zugriff auf Fachartikel von besonderem Wert. „Sustainability“, das Journal, bei dem ich publiziert habe, leistet auch eine sehr gute Marketingarbeit, um Veröffentlichungen bekannt zu machen.
UB: Geben Sie uns zum Abschluss einen Einblick in Ihr Forschungsfeld für Disziplinfremde? Mit welchen Fragen und Erkenntnissen beschäftigen Sie sich?
AW: Meine Forschungsinteressen umfassen Innovationsökonomie, sozioökonomische Aspekte von Innovationen, Technologiemanagement und Nachhaltigkeitsthemen. Derzeit beschäftige ich mich vorrangig mit sozioökonomischen Analysen und Geschäftsmodellen für nachhaltige Produkte. Ein spezielles Forschungsthema ist dabei die Circular Economy bzw. Kreislaufwirtschaft. Dabei geht es um ein Wirtschaftssystem, in dem der Wert von Produkten und Materialien so lange wie möglich erhalten bleibt, Abfall und Ressourcenverbrauch minimiert werden und die Ressourcen am Ende eines Produktlebenszyklus in der Wirtschaft gehalten werden, um immer wieder zur Schaffung weiterer Werte verwendet zu werden. In diesem Kontext konnte ich als Koeditorin übrigens selbst ein Special Issue eines Open-Access-Journals organisieren. In besonderer Weise soll es den Forschenden am Wissenschaftsstandort Deutschland zugutekommen. Frühzeitig wurde hierzu ein wichtiges Fachnetzwerk in die Planung einbezogen.
UB: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Dr. Simone Wurster ist an der TU Berlin im Fachgebiet Innovationsökonomie von Herrn Prof. Dr. Knut Blind als Wissenschaftlerin und Projektleiterin aktiv. Sie hat an der Universität Potsdam im Bereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften promoviert. Mehr Informationen zu den spannenden Arbeiten ihres interdisziplinären Teams finden Sie unter: https://www.inno.tu-berlin.de/menue/chair_of_innovation_economics.
Zu den weiteren Teilen der diesjährigen Interviewreihe:
Prof. Dr. Katja Ninnemann (Gastprofessur Corporate Learning Architecture) „Mit Open Access kann ein viel größerer Wirkungskreis in der Research Community erzielt werden.“
Dipl.- Ing. Anne Hartmann (FG Gebäudeenergiesysteme) “Open Access ermöglicht eine schnelle und kostenfreie Verfügbarkeit aktueller Forschungsergebnisse.”
Prof. Dr. Søren Salomo (FG Technologie- und Innovationsmanagement) „Open Access sichert breiten Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen und ermöglicht schnelleren Transfer in echte Lösungen.“
Übersicht aller bislang in der Interviewreihe erschienenen Beiträge.
Ausstellung aller Open-Access-Statements auf dem Flickr-Profil der Universitätsbibliothek.